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Königskinder (German Edition)

Königskinder (German Edition)

Titel: Königskinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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klar, Anderson hat immer wieder versucht, sie zu stoppen. Aber gegen Kriegsministerium und MI5 war er machtlos.»
    «Woher weißt du das?»
    «Ich lese Zeitungen, meine Liebe, und ich lese auch zwischen den Zeilen.»
    «Gerade ein Geheimdienst müsste doch in der Lage sein, Nazis von Kategorie-C-Flüchtlingen zu unterscheiden.»
    «Sollte man meinen, aber vielleicht sind Menschen, die in Geheimdiensten arbeiten, einfach dumm. Sie haben ein schematisches Weltbild. Deutsche sind Deutsche. Punkt.»
    Wahrscheinlich ist Gusti nicht so unpolitisch, wie Irka immer gedacht hat. Nur weil sie ein guter Mensch ist, muss sie deshalb nicht unbedarft sein. Irka versucht ja, sich zu mäßigen, aber ihre spontanen, aus dem Bauch getroffenen Urteile sind stets schneller als ihr Kopf.
    «Und hast du eine Ahnung, warum wir nicht interniert wurden?», fragt Gusti. «Es sind doch auch Frauen festgenommen worden.»
    «Soviel ich weiß, wurden nur die Frauen der Kategorie A und B interniert. Aber sicher haben sie sich da auch öfter geirrt. Wer die Verhältnisse in Deutschland und Österreich nicht kennt, kann das doch gar nicht richtig einschätzen. Ich habe immer gedacht, dass Erich interniert wurde, weil er kein Jude ist, und dass sie mich nicht interniert haben, weil ich Jüdin bin.»
    «Das kann auf keinen Fall stimmen. Ist Oskar etwa kein Jude? Jüdische Männer sind massenweise interniert worden, das wissen wir. Bei den Frauen lässt sich kein Muster erkennen.»
    «Wahrscheinlich traut man uns Frauen nicht zu, politisch aktiv zu sein. Das ist doch immer so. Frauen nimmt man weniger ernst. Ich habe das selbst gemerkt, als sie mich in Wien verhört haben.»
    «Du Suffragette! Vielleicht kommen wir auch noch dran, wer weiß? Der Krieg ist noch nicht zu Ende.»
    «Das kann man sagen. Die Deutschen bombardieren gerade britische Schiffe im Ärmelkanal, wer weiß, was mit uns geschieht, wenn sie einmarschieren. Ich bin hin und her gerissen. Einerseits bin ich froh, dass Erich in Sicherheit ist, andererseits hätte ich weniger Angst, wenn er bei mir wäre. Das ist egoistisch, ich weiß. Und auch eine Illusion. Was könnte er schon tun, wenn die Deutschen uns Jüdinnen ins KZ stecken?»
    Die Zeit des Wartens zieht sich hin. Irka hält es nicht mehr aus und schreibt ans Flüchtlingsbüro, um zu erfahren, wann sie mit der Abreise rechnen kann. Wenige Tage später erhält sie ein vom Direktor persönlich unterzeichnetes Schreiben.
Es ist mir durchaus bewusst, wie schwierig die Situation für Sie und alle anderen Ehefrauen in ähnlich prekärer Lage ist, ihr Leben von Tag zu Tag zu planen, und es ist auch eine Frage, die mich ohne Unterlass beschäftigt. Ich kann Ihnen versichern, dass ich alles in meiner Macht Stehende unternehme, um Ihnen und den anderen zu ermöglichen, wieder mit Ihren Männern zusammen zu sein. Eines aber möchte ich in aller Klarheit festhalten: Die Regierung wird Sie und Ihren Mann zusammenbringen – daran brauchen Sie nicht zu zweifeln. Die Frage ist nur, wie bald, und hier kann ich Ihnen, sosehr ich es bedaure, keine definitive Antwort geben, aber ich arbeite unermüdlich daran. Sobald ich mehr weiß, werde ich Ihnen unverzüglich schreiben.
    Lange sitzt Irka da und starrt auf den Brief, bis die Lettern zu tanzen beginnen. Sie weiß nicht, was sie denken soll. Kein Reisetermin, aber auch keine endgültige Absage. Also weiter warten und hoffen. Eine quälende Tatenlosigkeit für eine, die es gewohnt ist, Probleme anzupacken. Obwohl sie keine Ahnung hat, wo Erich sich gerade befindet, schreibt sie ihm an eine Adresse, die sie im Bloomsbury House ausfindig gemacht hat: c/o Prisoner of War Information Bureau, Melbourne, Australia.
Primrose Mansions, 7. August 1940
Liebster, ich schreibe Dir an diese Adresse und hoffe, Du wirst diese Karte bei Deiner Ankunft erhalten. Schade, dass Dich meine Briefe nicht mehr erreicht haben. Etwa drei Wochen nach Deiner Abreise dachte ich, dass auch ich bald abreisen würde, aber jetzt ist alles wieder ungewiss. Ich warte und bin schon ganz verzweifelt, weil Du so weit weg bist. Nun lebe ich mit Käthe und den anderen zusammen, aber sie haben nicht viel Platz für mich. Vielleicht wird diesmal viel Zeit vergehen, ehe wir uns wiedersehen. Ich habe nur eine Bitte an Dich: Vergiss mich nicht, denn ich bin sehr einsam, wo doch meine Familie in der ganzen Welt verstreut ist. Versuche, mit meiner Schwester Ludka in Verbindung zu treten, sie wird Dir helfen, wenn Du etwas brauchst. Kannst Du mir

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