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Königskinder (German Edition)

Königskinder (German Edition)

Titel: Königskinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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Aufrechterhaltung von Ordnung und Disziplin zu unterstützen hat. Auf Flüchtende, so die Anweisung, soll nach Warnung scharf geschossen werden.
    Erich wird zum Vater von Hütte 18 gewählt.

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    21
    Auf den zweiten, ausgeschlafenen Blick sehen die Männer das Lager in einem freundlicheren Licht. Zwischen den Hütten ist genügend Platz für sportliche Aktivitäten ebenso wie für Rückzug, die Anlage ist nur unbenutzt und anonym, wie beim Einzug in eine neue Wohnung, in der noch keine Bilder an der Wand hängen. An der Krankenhausbaracke wird noch gearbeitet, Zimmerleute in Shorts, breitkrempige Hüte auf dem Kopf, hämmern und sägen. Hinter dem Stacheldraht ist in der Ferne ein grüner Strich zu erkennen. Ein Fluss?
    Schwärme kreischender Wellensittiche und bunter Papageien überfliegen das Lager. Am späteren Vormittag verliert der rötliche Sand seine sonnengetränkte Farbe und wird fahl. Aus Mangel an Sinneseindrücken lernen die Männer, die feinen farblichen Abstufungen wahrzunehmen, die den Tag strukturieren. Kaum einer versäumt das Schauspiel des Sonnenuntergangs, wenn die borstige Ebene schwarzrot erglüht, die sterbende Sonne die Wolken erst gold, violett, grün und orange färbt, bis sie sie schließlich in ein Flammenmeer taucht und die Haut der Menschen dunkelbraun aufleuchten lässt. Schlagartig bricht die Nacht über das Camp herein, und der Mond erscheint am Himmel als blutrote Scheibe. Nach dem Abendessen ist Zeit zum Lesen, Briefeschreiben, um sich mit Freunden zu unterhalten, an das Inferno in Europa zu denken.
    Die ersten Tage genießen die Männer noch die Muße, bräunen ihre im Schiffsbauch bleich und schlaff gewordene Haut in der heißen Frühjahrssonne und lassen sich das köstliche Essen der österreichischen Köche schmecken. Die australischen Köche nehmen ihren Abschied.
    Von der Besatzung in Reih und Glied gebracht, werden alle Mann gegen Typhus geimpft, ein Vorgang, der später noch zweimal wiederholt werden soll. Wie Jack im Zug sind die Wachen überwiegend gemütliche ältere Männer, Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg, die bald begreifen, dass bei diesen Internierten ein scharfer militärischer Ton fehl am Platz wäre. Weit weg vom Kriegsgeschehen in Europa, scheinen sie keine Vorurteile zu haben, weder gegen Deutsche, die keine Nazis sind, noch gegen Juden. Das größte Hindernis bei der Fraternisierung zwischen Wachpersonal und Gefangenen ist die Sprache. Erst allmählich lernen die Internierten, das Australisch ihrer Bewacher als das Englisch zu erkennen, das sie in der Schule gelernt haben.
    In Camp 7 machen sich einige Anwälte unverzüglich an eine Umfrage, aus der wenige Tage später ein an den High Commissioner of the United Kingdom in Australia gerichtetes Memorandum entsteht, in dem die Behandlung der Internierten bei der Einschiffung auf die Dunera und während der Reise beschrieben wird.
    Doch der Müßiggang wird bald langweilig. Unter Anleitung der Politischen beginnt sich das Lager zu organisieren. Nach heftigen Kontroversen zwischen den verschiedenen politischen Fraktionen (es gibt im Lager Kommunisten und Antikommunisten, Sozialdemokraten, Trotzkisten, Zionisten und Antizionisten, Katholiken, Talmudisten und Laizisten, Atheisten, Unpolitische jeder Couleur und natürlich auch hier Reiche und Arme) wird schließlich der vierzigjährige Anwalt Paul Auerbach zum Camp Supervisor gewählt.
    Der Tagesablauf ist strukturiert: 6:30 Uhr Wecken, 7 Uhr Bettenmachen, 7:30 Uhr Frühstück, 10 Uhr Morgenappell, 10:45 Uhr Lagerinspektion, 12:30 Uhr Mittagessen, 13 bis 16 Uhr Ruhezeit, danach Abendappell, 18:30 Uhr Abendessen, 22:15 Uhr Last Call und Löschen der Lichter. Schon bald müssen sich die Internierten nicht mehr auf den Appellplatz begeben. Gezählt wird nunmehr in den Hütten, wobei sich jeder vor sein Bett stellen muss. Nach einer Weile wird auch das immer lascher gehandhabt. Wohin sollten sie denn auch abhauen? Jeder Fluchtversuch würde wie in Zeiten der Strafkolonien den fast sicheren Tod des Betreffenden bedeuten.
    Der raue Ton von Sergeant Major Sealdwell vermag sein Wohlwollen den Internierten gegenüber nicht zu kaschieren. Mit Staunen beobachtet er, wie sich das Lagerleben vor seinen Augen entfaltet. Schon bald wird im Hüttenparlament die Dunera -Verfassung beschlossen, die die Selbstverwaltung der Internierten regelt. Vorerst bedeutet das in erster Linie Kochen, Säubern der Hütten, Wäschewaschen sowie Reinigen und

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