Königskinder (German Edition)
als ich sie ausgesucht habe. Es ist nicht meine Schuld, wenn Du sie nicht bekommst. Natürlich hätte ich sie nicht gekauft, wenn ich gewusst hätte, dass ich nicht fahre, ich könnte das Geld jetzt gut gebrauchen.
Wenn ich nur wüsste, wie Du dort lebst, ob es Dir gutgeht, wie es dort ausschaut. Junge, Liebster, wenn wir dieses Erlebnis überstehen, dann gibt es keine Macht der Welt mehr, die uns trennen wird, nicht wahr? Ich freue mich auf jeden Fall, dass wenigstens Du durchkommen wirst, um in einer anderen Welt etwas zu leisten.
Zu den meisten unserer Freunde habe ich den Kontakt verloren, den Leuten steht der Sinn nicht nach Besuchen. Die Zeiten haben sich geändert.
Deine Irka
Camp 8, Hut 18, Hay, 23. Oktober 1940
My dear Irene, Deine Luftpostkarte vom 7. August habe ich ungefähr vor 14 Tagen erhalten. Dieser Brief sollte Dich um Weihnachten erreichen. Es ist hoffnungslos, einen Brief zu schreiben, der fast ein Vierteljahr unterwegs ist, es ist hoffnungslos, so weit weg und von Dir abgeschnitten zu sein. Jetzt bin ich schon 6 Wochen hier. In der ersten Zeit wähnte ich Dich bereits auf hoher See, und selbst nach Empfang Deiner Karte gab ich die Hoffnung nicht auf. Ich lebte in einem Wolkenkuckucksheim, aber bald brachen meine Illusionen wie ein Kartenhaus zusammen. Seit ich weiß, dass Du immer noch in England bist und es für Dich wahrscheinlich auf absehbare Zeit keine Möglichkeit geben wird, hierherzukommen, mache ich mir ununterbrochen Sorgen. Solange Du nicht bei mir bist, werde ich keine ruhige Stunde haben. Aber ich weiß, dass Du stark bist und Dich durch diese schreckliche Zeit lavieren wirst.
Ludka hat mir 1 Paket, 3 Briefe und 1 Pfund geschickt. Damit habe ich mir notwendige Sachen gekauft und mir mein einziges Paar Schuhe reparieren lassen. Sie hat mir auch ein Foto von sich und dem Baby geschickt. Es geht ihnen gut. Ich habe sie um ein Foto von Dir gebeten. Ich habe nicht einmal ein Bild von Dir!
Über mein Leben hier gibt es nicht viel zu berichten. Angesichts dessen, was Du dort drüben mitmachen musst, werde ich mich nicht über das monotone Lagerleben beklagen. Ich warte und werde immer auf Dich warten und versuchen, Dir beizustehen, wann immer ich dazu Gelegenheit habe. Vorläufig kann ich nur hoffen, dass Du mich nicht vergisst.
Dein Erich
Welwyn Garden City, 29. Oktober 1940
Mein liebster Erich, zwei Wochen lang habe ich Dir nicht geschrieben, weil ich große Sorgen hatte und Dir nichts vorjammern wollte. Meine Gastgeberin hat ihr Haus aufgegeben, und ich musste mich nach einer neuen Unterkunft umsehen. Jetzt habe ich zum Glück nette Leute gefunden, die mich für eine Weile aufnehmen, sodass ich in Ruhe Arbeit suchen kann. Es ist nicht so einfach wie früher, die Leute wollen keine Ausländer aufnehmen, und alle drängen raus aus London. Viele der Agenturen, an die ich geschrieben habe, haben nicht einmal geantwortet. Durch die Zeitung habe ich aber jetzt eine Stelle gefunden, aus der vielleicht was wird. Die Landlady muss sich noch eine Referenz besorgen. Es wäre ein Posten als parlourmaid in einem großen Landhaus in Hertfordshire, weit weg von der Stadt, was ja jetzt von Vorteil ist. Es wird traurig sein ohne Dich, wieder der Trott in einem fremden Haus. Ich werde servieren müssen, Silber putzen und mich herumkommandieren lassen. Aber es ist notwendig, ich muss arbeiten, damit ich nicht so viel nachdenke. Und ich will Dir ja auch etwas Geld schicken.
Am Sonntag war Dein Geburtstag, da dachte ich den ganzen Tag an Dich. Wie merkwürdig die Wege des Lebens doch sind, wer weiß, wann und wo wir einander wiederbegegnen. Hier ist es schon kalt, und ich stelle mir vor, wie heiß es bei Dir sein muss. Als Ersatz für meinen Ehemann nehme ich mir die Wärmeflasche ins Bett. Schade um unsere jungen Jahre, aber vielleicht werden wir als Greise beisammen sein dürfen, eine recht trostlose Perspektive, aber besser spät als nie. Ich bin albern, nicht?
Es sind viele Internierte freigekommen, entweder aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie prominent sind. Ich beneide die Frauen, die ihre Männer wiederhaben. Doch es ist besser, Du bist dort, hier ist das Leben gar nicht schön. Kennst Du einen jungen Burschen namens Preminger? Ich habe seine Eltern über Dr. Pollak kennengelernt. Ist der Baswitz ein netter Mensch? Seine Frau ist in London und hat mir geschrieben. Ich kenne auch eine Frau Mrak, deren Mann bei Dir ist, sowie mehrere andere, deren Namen mir entfallen sind.
Bald also
Weitere Kostenlose Bücher