Königskinder
Hingabe unermüdlich an den Vorbereitungen beteiligte. Mehr als einmal fuhr er Sophie zu entlegenen Landkirchen und brütete mit ihr über Büfett-Vorschlägen. Er hielt nichts von Lachshäppchen und wurde nicht müde zu beteuern, dass seine Mutter und seine Tanten selbstverständlich jede Menge Salate und ein paar Tabletts voll Baklava für unser großes Fest beisteuern würden.
Eines Nachmittags, als ich gerade im Büro über den Kalkulationen zweier Steinsetzer brütete (man glaubt ja gar nicht, wie teuer es ist, eine Auffahrt zu versetzen), wurde ich nachdenklich. Ganz plötzlich, als hätte es schon lange in mir gegärt und wäre jetzt endlich zum Ausbruch gekommen, penetrierte mich ein schlechtes Gefühl: ich zweifelte.
Ich zweifelte nicht an der geplanten Hochzeit, die mir als einleuchtender und erfreulicher nächster Schritt in meinem Leben erschien, sondern an meiner Qualität als zukünftiger Ehemann. Ich war trotz meines zarten Alters bereits ein Workaholic; ich hatte ein eigenes Büro, eine Sekretärin (die ich mir allerdings mit zwei Kollegen teilte) und ein berstend gefülltes Überstunden-Konto. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich meiner Sophie nicht einmal ansatzweise genügend Aufmerksamkeit schenkte. Sie war zu bescheiden und freundlich, um sich zu beklagen, aber in diesem Moment, als ich die Steinsetzer-Kalkulation durchging und auf das Bahnticket blickte, mit dem ich am späten Abend noch nach Köln fahren würde, um dort mit einem Landschaftsarchitekten über die Gestaltung eines Vorgartens zu diskutieren (und wie man ihn zugunsten weiterer Parkplätze dezent einschrumpfen könne) – in diesem Moment wurde mir klar, dass ich versagte.
Ich setzte falsche Prioritäten.
Ich wurde der Frau, die ich liebte, nicht gerecht.
Kurz entschlossen, getrieben von einem schlechten Gewissen und einem ganz plötzlichen, unbändigen Verlangen nach der Berührung meiner Verlobten, ließ ich mich zu einer spontanen Tat hinreißen: Ich ließ den Kostenvoranschlag der Steinsetzer auf den Schreibtisch fallen, schnappte mir meine Jacke und teilte meiner Sekretärin mit, dass ich noch einen Termin hätte.
Ich stieg in meinen VW-Golf und fuhr nach Hause. Auf dem Weg hielt ich noch kurz bei einem Blumenladen an und kaufte ein Dutzend Rosen.
Als ich die Tür öffnete, die Blumen in der Hand, dröhnte mir in beträchtlicher Lautstärke Musik entgegen. »Wind of Change« von den Scorpions . Sophie hasste Hardrock und konnte die Scorpions eigentlich nicht leiden, aber dieses Lied liebte sie. Ich lächelte und summte leise mit. Ich zog die Schuhe aus, hängte die Jacke an den Haken und ging mit meinen Blumen ins Wohnzimmer. Sophie war nicht da. Also ging ich weiter, schaute in die Küche, wo ich sie ebenfalls nicht fand, und ging dann in Richtung Schlafzimmer.
Und dort hörte ich dann noch mehr als die Scorpions.
Ich hörte … leise Schreie! War Sophie verletzt?
Erschrocken stürmte ich die letzten Schritte bis zum Schlafzimmer und riss die Tür auf. Was dann geschah, war wie ein Faustschlag.
Erst hörte ich Sophie euphorisch schreien: »Fick mich! Ja! Fick mich härter!«
Und dann verarbeitete mein Gehirn, was meine Augen bereits sahen: Hassan kniete hinter meiner nackten Frau im Bett und stieß sie mit enormer Wucht. Einer Wucht, die ich mich bei Sophie nie getraut hätte. Es sah aus wie ein Auffahrunfall. Als würde ein Siebeneinhalbtonner mit voller Geschwindigkeit auf ein schnittiges kleines Cabrio krachen.
Sophie und Hassan drehten sich beide im selben Moment zu mir um und sahen mich entsetzt an. Ich stand da, völlig fassungslos, nahm nur halb bewusst wahr, wie Hassan sich eilig aus meiner Frau zurückzog, wie Sophie mich mit ihren großen Elfenaugen erschrocken anstarrte und sich dann die Bettdecke schnappte und vor sich hielt, so als dürfe ich sie nicht nackt sehen, was absurd war und demütigend. Ich sah, wie Hassan den Mund öffnete und Sophie auch und beide etwas sagten, was ich nicht verstand.
Ich machte einfach nur kehrt, ging zurück zur Wohnungstür, legte die Rosen vorher noch auf den Esstisch und verließ die Wohnung. Ich hörte, wie einer von beiden etwas hinter mir herrief, Sophie vermutlich. Aber ich hielt nicht an. Ich bewegte mich wie in Trance. Unter Schock. Fassungslos zu begreifen, was ich da eben gesehen hatte.
Es war so falsch. So falsch auf so vielen verschiedenen Ebenen.
Ich verließ die Wohnung, und mein Herz hämmerte in meinem Kopf.
Als ich auf der Straße stand,
Weitere Kostenlose Bücher