Königskinder
Sahnetorten.
Nachdem meine kleine Reisegruppe zermürbt, übermüdet und verschwitzt auf dem Flughafen von Juan Santamaria ankam, mussten wir noch vier Stunden mit einem alten, klapprigen Jeep durchs halbe Land fahren. Es holperte und ruckelte maßlos, die unfassbar hohe Luftfeuchtigkeit nahm uns in den Würgegriff, Insekten, die so zahlreich wie überdimensional groß waren, machten Jagd auf uns und unser Fahrer schien von Todessehnsucht beseelt zu sein: Er fuhr rasend schnell, haarscharf an Abgründen vorbei, preschte in die Kurven, als wäre er Stuntman in einem Hollywood-Film, und drehte sich regelmäßig mit einem breiten Grinsen zu uns um, um eine Reaktion auf seinen Macho-Fahrstil zu ernten. Die mit Abstand größte Aufmerksamkeit schenkte er dabei mir.
Der Höllenchauffeur hieß Juan, und er hatte ein Auge auf mich geworfen, seit ich in seinen Jeep gestiegen war. Ich bilde mir nicht übermäßig viel drauf ein, weil die Konkurrenz ja auch nicht gerade groß war. Unsere vierköpfige Greenpeace -Truppe umfasste nur zwei Frauen. Mich und Astrid. Und Astrid war dürr, hatte eine Bubikopf-Frisur, die aussah wie ein Helm, und schaute immer so griesgrämig drein, als wolle sie irgendeine Beschwerde loswerden (wollte sie meistens auch). Astrid war definitiv nicht der Typ Frau, der Latin Lover zum Anknipsen ihres Macho-Charmes motivierte. Ich dagegen, mit meinem langen, wilden Haar, meiner sinnesfrohen Hippie-Aura, meinen runden Formen und dem dünnen Sommerkleid, das nur wenig verhüllte, war sein perfektes Beuteschema. Das wusste ich. Und es gefiel mir. Ich fand ihn ja auch scharf.
Ich bemerkte, dass Leonard und Daniel meinen nonverbalen Flirt mit unserem rassigen Kamikaze-Fahrer missbilligend beobachteten. Leonard war Biologe und sollte vor Ort die Lebensbedingungen der Lederschildkröte inspizieren. Ein netter Typ, sehr ruhig, sehr sachlich. Daniel war der Leiter unseres Teams, ein drahtiger, zu allem entschlossener Anfangsdreißiger, der sich schon mit Schlauchbooten vor Walfänger manövriert hatte und mit einer Bergsteigerausrüstung an einem Fabrikschornstein hochgekraxelt war. Er war der größte Idealist, den ich kannte, und ich bewunderte ihn aufrichtig für sein bedingungsloses Engagement. Aber er war auch eine Spaßbremse. Das hatte ihn zwar nicht davon abgehalten, mich vor ein paar Wochen anzugraben, aber da war es an mir gewesen, sehr zügig auf die Bremse zu treten. Als Daniel nun beobachtete, wie ich mit Juan flirtende Blicke tauschte, bereute er es zweifelsohne schon, mich auf diese Reise mitgenommen zu haben. Als ob mein Liebesleben in irgendeinem Zusammenhang mit meinem Engagement stehen würde! Ich nahm mir fest vor, bei allem Spaß, den ich hier in der exotischen Welt zu haben gedachte, niemals unsere Mission aus den Augen zu verlieren und aufrichtig und leidenschaftlich für den Erhalt der Krötenkolonie und den Stopp des Ferienanlagenprojekts zu kämpfen.
*
Es war nicht nur für mich das größte Projekt, mit dem ich bis dato zu tun hatte, sondern auch für Walter. Er war tatsächlich aufgeregt, ein Aggregatzustand, den ich nicht von ihm gewohnt war. Walter wollte eine Ferienanlage in Costa Rica bauen – zweiundzwanzig Bungalows, ein Apartmenthotel mit Swimmingpool, dazu Restaurants und eine Strandbar. Ich fühlte mich zutiefst geschmeichelt, dass er mich mit meinen gerade mal sechsundzwanzig Jahren zum Projektleiter ernannt hatte. Natürlich würde er mir die ganze Zeit über die Schulter schauen, stets die letzte Entscheidung fällen und der absolute Boss sein, doch die Organisation des gesamten Unterfangens lag bei mir.
Während wir nach Costa Rica flogen, gingen wir die Unterlagen durch. Wir flogen First Class und hatten mehr als genug Platz, um die Aktenordner, Pläne und Karten auszubreiten. Ich liebte die First Class und muss gestehen, dass ich mich gegenüber den extrem willfährigen Flugbegleiterinnen genauso arrogant aufführte wie die anderen Gäste dieses von der Holzklasse abgetrennten Exklusiv-Bereichs. Wer so ein Schweinegeld besitzt, dass er sich ein Erste-Klasse-Linienflugticket leisten kann, der sieht nicht ein, warum die allgemeinen Regeln der Höflichkeit und Aufmerksamkeit auch für ihn gelten sollten. Und ich, der dieses Geld zwar nicht besaß, aber sehr wohl davon profitierte, war zu jung, zu schwach und zu bestrebt dazuzugehören, um nicht ebenfalls in das großkotzige Gehabe der Reichen zu verfallen.
Wir schlürften Champagner, während Walter mir und unserem
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