Königskinder
Jahrtausenden, wenn nicht seit Jahrmillionen auf diesem Planeten existierte – nur um einen reichen Mann noch reicher zu machen!
Ich würde gern behaupten, dass ich Bauchschmerzen hatte, als ich für Walter all diese halbseidenen Dinge organisierte. Doch ich schreibe diesen Bericht, um mir über mich selbst klarzuwerden. Und das geht nur mit bedingungsloser Ehrlichkeit. Also, ganz ehrlich: Als ich mit dem Hubschrauber über den Regenwald von Costa Rica flog, kam ich mir vor wie der geilste Typ der Welt! Ich war gerade mal sechsundzwanzig und veränderte bereits die Welt! Es war mir erschreckend egal, ob ich sie zum Guten oder zum Schlechten veränderte – in diesem Moment war ich einfach nur berauscht von meiner eigenen Wichtigkeit und Macht.
*
Wir wohnten in einem wunderschönen Holzhaus am Strand. Von der Veranda aus schaute ich aufs Meer, einen azurblauen Traum von Meer! Für mich, die Großstadtpflanze aus Europa, war es fast unglaublich zu sehen, dass diese malerischen Kulissen, die ich bisher nur aus Filmen und von Fototapeten kannte, tatsächlich existieren! Feiner weißer Sandstrand, Palmen, exotische Vögel.
Ich dachte zwei Dinge, als ich auf der Veranda stand und auf das Paradies, das vor mir lag, blickte. Zum einen: Ich muss diesen Traum von Ort erhalten! Ich werde nicht aufhören zu kämpfen, bis ich weiß, dass diese Idylle unangetastet bleibt! Mein anderer Gedanke war: Wäre es nicht wahnsinnig romantisch, unter der Palme da hinten bei Sonnenuntergang Sex mit diesem geilen Typen aus dem Jeep zu haben?
Ich war wirklich ein bisschen verknallt in ihn. Und ich bilde mir ein, dass ich für Juan auch mehr war als bloß eine naive Touristin, die typische leichte Beute. Zumindest ein bisschen mehr. Und als wir zwei Nächte später tatsächlich Sex unter dieser Palme hatten – das war wunderschön. Es war wie im Kino.
*
Wir wohnten in einer Villa, die irgendeinem Politiker gehörte, der auf Walters Schmiergeldliste stand. Ich hatte ein Zimmer im Erdgeschoss. Durch meine Terrassentür waren es nur wenige Schritte bis zum Pool. Dahinter, am Rande einer weißgetünchten, hohen Mauer, sah ich das kleine Wachhäuschen, in dem ein uniformierter Mann mit einer Maschinenpistole stand.
Walter, Dr. Winter und ich brüteten die halbe Nacht auf der Veranda über unsere Vorgehensweise. Dr. Winter rauchte dicke Zigarren, Walter trank Bier, obwohl er fand, dass diese exotische Plörre nicht einmal ansatzweise mit einem guten deutschen Pils vergleichbar sei. Ich trank Wasser mit Limonensaft und schaute immer wieder nervös zu dem Wachmann mit der Maschinenpistole hinüber. Der Uniformierte sah aus, als wäre er höchstens zwanzig Jahre alt. Ich fühlte mich durch seine Anwesenheit nicht sicher, sondern beunruhigt. Ich verstand es nicht: Warum sollte man mich mit Waffengewalt beschützen müssen? Ich war doch bloß ein abgebrochener Architekturstudent, der einfach nur besser planen und rechnen konnte als die meisten anderen Menschen.
»Was meinst du, was für einen Wohlstand unsere Devisen hier bringen werden!«, sagte Dr. Winter und ließ sein hageres Habichtsgesicht hinter einer Wolke ausgepafften Zigarrenqualms verschwinden. »Die sollten uns dankbar sein!«
»Stimmt«, pflichtete Walter bei. »Wir leisten hier quasi Entwicklungshilfe. Wir bringen die Neger mächtig nach vorn! Wir bringen denen die Zivilisation. Die machen hier doch noch Voodoo und so was!«
»Tatsächlich«, mischte ich mich ein, »ist der Großteil der Bevölkerung von Costa Rica streng katholisch.«
Walter reagierte nicht. Die Vorstellung, dass die Menschen hier genauso den Papst bewunderten wie seine Nachbarn in Hamburg, überforderte ihn vermutlich und wurde deshalb nicht zugelassen.
»Die werden uns noch danken!«, behauptete er bockig.
Auf dem Tisch vor uns lag auch ein großer Stapel mit Greenpeace -Unterlagen. Walter war der Meinung gewesen, ich könne die ignorieren. Ich sollte mich vielmehr auf die strategische Planung konzentrieren. Was Die Grünen (in Walters Vorstellung trug jeder Umweltschützer ein Heiligenbild von Joschka Fischer im selbstgestrickten Brustbeutel mit sich herum) an Argumenten und Fakten vorzubringen hatten, war für ihn irrelevant. Und somit auch für mich. Als wir uns später eine gute Nacht wünschten, nahm ich den Stapel dennoch mit in mein Zimmer und begann ihn durchzusehen.
Wieder würde ich die Dinge zu gerne nachträglich verklären, behaupten, dass mir beim Lesen der Greenpeace -Berichte die
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