Königskinder
verstand ihn immer noch nicht und schloss wieder die Augen. Ich hatte genug von der puerto-ricanischen Polizei.
Am nächsten Tag kam ein Mann von der deutschen Botschaft zu mir. Er erklärte, dass meine Freunde von Greenpeace allesamt ausgewiesen worden seien. Auch ich sei ab sofort eine unerwünschte Person in Costa Rica; wegen meiner Verletzungen war ich allerdings noch nicht transportfähig, und deshalb würde man mich noch ein paar Tage zur Beobachtung dabehalten.
Dann kam Juan. Ich erzählte ihm, was passiert war. Er regte sich sehr auf und rannte dann aus dem Zimmer. Ich hörte ihn im Flur lautstark auf Spanisch diskutieren.
Eine Krankenschwester, die Englisch konnte, teilte mir am nächsten Tag mit, dass ich das Krankenhaus verlassen dürfe, aber noch ein paar Tage im Land bleiben müsse, bevor ich ohne Gesundheitsrisiko in ein Flugzeug steigen dürfte. »Your friend Juan took care of everything; you will stay with him.« Ich war begeistert.
Ich weiß nicht genau, wie er es geschafft hat, aber Juan schaffte es, meine Abschiebung dreimal zu verhindern. Er hat dem behandelnden Arzt, als es mir längst schon wieder fabelhaft ging, sogar noch ein Attest aus dem Kreuz leiern können, das mich quasi als halb tot einstufte. Ich weiß nicht, ob er dafür bezahlt hat oder ob der Arzt vielleicht ein heimlicher Krötenfreund war. Juan hat es mir nie verraten, und es ist eigentlich auch egal. Es waren jedenfalls wunderbare drei Wochen mit ihm. Die sinnlichsten, leidenschaftlichsten und vielleicht sogar glücklichsten drei Wochen meines Lebens. Paradiesische Wochen, alltags- und sorgenfrei.
Ich habe aber durchaus gespürt, dass Juan am Ende ganz froh war, als ich verschwand. Ich habe vermutlich zu viel von Liebe geredet. Und dass ich ihn unbedingt überreden wollte, zu mir nach Deutschland zu kommen, hat ihn genervt. Nachträglich gesehen, war es gut, dass er nicht mitgekommen ist.
Das, was wir hatten, war natürlich keine Liebe. Es war einfach eine wunderbare Palmen-und-Sandstrand-Schnulze, die ich maßlos genossen habe. Aber ich konnte sie nur genießen, indem ich mir einredete, sie würde etwas bedeuten. Ich würde ihm etwas bedeuten. So ticken wir Frauen eben. Wir haben gern ein dramaturgisches und emotionales Unterfutter für unsere Lust. Ich zumindest. Tief in meinem Innersten wusste ich aber natürlich, dass wir bloß einen sexuell aufgeputschten Groschenroman nachspielten.
Kapitel 13
1996
I ch habe in den Tagen nach dem Zwischenfall bei allen offiziellen Stellen wieder und wieder nachgefragt. Doch niemand wusste etwas von einer verletzten Frau in einem Sommerkleid. Beziehungsweise: Niemand gab zu, etwas über eine verletzte Frau zu wissen. Niemand verriet mir, wer die Demonstration organisiert hatte, was aus den Teilnehmern geworden war, was genau an diesem Tag auf der anderen Seite der weißgetünchten Mauer geschehen war. Ich kann mir nicht sicher sein, ob ich an diesem Tag nicht womöglich eine Frau sterben sah. Ich weiß es bis heute nicht.
Walter hätte mit seinen Connections alle Informationen spielend besorgen können. Doch er weigerte sich. »Die sind doch selber schuld, diese Ökofuzzis«, sagte er bloß. Und er sagte es nicht einmal mit Nachdruck oder Wut – er sagte es beiläufig, fast gelangweilt. Für ihn war das Thema einfach erledigt. Es gab keine Demonstrationen mehr, keine nennenswerten weiteren Proteste. Alles war prima, soweit es Walter betraf.
Die vorletzte Genehmigung hatte Walter erfolgreich eingekauft, jetzt musste nur noch eine letzte Klage abgewiesen werden. Es war eine Klage, in der Walter völlig zu Recht vorgeworfen wurde, den Grundstückskauf über Schein- und Briefkastenfirmen abgewickelt zu haben. Als alleiniger Investor hätte er eine derart große, zusammenhängende Fläche schließlich niemals erstehen können. Sollte Greenpeace , die als offizielle Kläger auftraten, das beweisen können, bliebe selbst den korruptesten Beamten keine andere Wahl, als Walters Projekt zu kippen. Doch Dr. Winter bekam seine teuren Havannas nicht umsonst: Er war ein Meister der Verschleierung.
Zu dumm nur, dass niemand den kleinen Mark auf der Rechnung hatte. Bei einem Abendspaziergang warf ich dem Anwalt, der vor Ort für Greenpeace auftrat, einen Stapel fotokopierter und streng interner Unterlagen in den Briefkasten, mit denen er seinen Vorwurf relativ problemlos beweisen konnte. »Tell them, you got it from Germany«, schrieb ich auf den Umschlag, um eine Chance zu haben, meinen
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