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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Familientradition vorschrieb. Sie nannten ihn stattdessen Tom. Und Volkan mit Zweitnamen. Mit Bindestrich! Tom-Volkan. Na ja …
    Sie gaben Tom-Volkan kein Schweinefleisch zu essen (zumindest nicht, wenn jemand zusah), ließen ihn zwar beschneiden, allerdings »aus hygienischen Gründen«, von einem vertrauenswürdigen Mediziner und noch dazu sehr früh (»Was weg ist, ist weg«, grinste Hassan), ohne Ritual oder irgendein Fest. Den größten Ärger gab es, als Sophie den dreijährigen Tom-Volkan in einer Kindertanzgruppe anmeldete, wo er fortan mit großer Freude als einziger Junge unter fünfzehn kleinen Mädchen herumhoppste und sich zum Geburtstag auch so ein schönes Tutu-Röckchen wünschte, wie die kleinen Ballerinen es trugen. Das brachte Hassans und Sophies Familien gleichermaßen auf die Palme.
    Die Gemüter beruhigten sich erst, als Sophie und Hassan verkündeten, dass sie nun doch endlich heiraten würden. Es krachte aber gleich wieder, als sie bekanntgaben, dass sie den Bund fürs Leben weder in einer Kirche, noch in einer Moschee schließen würden, sondern ganz schnöde auf dem Standesamt.
    Weder Hassans noch Sophies Familien waren wirklich religiös, aber sie waren beide Traditionalisten. Und stur. Sie wollten bestimmen, auf Teufel komm raus. Walter bestand darauf, einen Partyservice für die Feier zu beauftragen, Hassans Mutter fing trotzdem drei Tage vor der Feier schon an, Essen zu kochen. Nurhan Özdamar kochte normalerweise schon die doppelte Menge von dem, was angebracht wurde; mit dem, was sie bei der Hochzeitsfeier aufzutischen gedachte, hätte man vermutlich die Hungersnot in Burkina Faso beenden können. Als Hassan sich ob des zu erwartenden kulinarischen Overkills einmischen wollte, sagte Sophie bloß: »Lass sie doch machen, Schatz. Den Rest frieren wir einfach ein. Wir können uns ja vier, fünf Tiefkühltruhen als Hochzeitsgeschenke wünschen.«
    Es versprach ein aufregender Tag zu werden. Ein schöner Tag. Der vielleicht schönste Tag in Hassans und Sophies Leben.
     
    Ich nahm morgens die Bahn nach Hamburg. Am Bahnhof Zoo kaufte ich mir zwei belegte Brote für die Fahrt, denn der Fraß im Zugrestaurant war eine Zumutung. Ich hätte mir gerne eine Portion Sushi geholt; da gab es neuerdings einen Stand, direkt am Eingang, bei dem ich mir manchmal abends ein paar Nigiris mitnahm. Der Typ, der da bediente, war so ein junger, schlaksiger Computer-Nerd, den ich nett fand. Und ich liebte Sushi. Doch der Stand war am Vormittag noch nicht geöffnet. Schade.
    Ich stieg in Hamburg-Altona aus und ging zum Altonaer Rathaus. Da mein Zug vierzig Minuten Verspätung hatte, kam ich gerade noch rechtzeitig. Hassan und Sophie hatten mich gebeten, Trauzeuge zu sein. Aber das wollte ich nicht. Ein winzig kleiner Teil von mir fühlte sich immer noch betrogen, auch nach all den Jahren noch und obwohl ich es den beiden sicher nie wieder vorhalten würde.
    Nach der schlichten Zeremonie umarmte und küsste ich meine besten Freunde nacheinander. Sophie sah wunderschön aus, wie ein Engel. Sie heiratete in Weiß. Witzig. Aber kein Vergleich zu Hassan, den sie für diesen Anlass tatsächlich in einen Anzug gezwungen hatte.
    Ich freute mich für die beiden. Ehrlich. Sie hatten es geschafft. Mein eigenes Leben war ein ziemlich unbefriedigender Trott geworden. Ich war rat- und glücklos, und ich sehnte mich nach einem Menschen, der mich aus dieser antriebsarmen Tristesse befreien würde. Ich hatte mich vom zielstrebigen, jungdynamischen Macher in einen trüben Schlurfi verwandelt, und ich wusste, dass ich allein nichts daran ändern würde. Weil ich nicht wusste, was stattdessen kommen sollte. Aber nur, weil ich von kleineren Kurzzeit-Romanzen, die sich allesamt schon nach wenigen Wochen als Flops erwiesen hatten, ohne nennenswerte Zuneigung durchs Leben latschte, gönnte ich meinen beiden Freunden ihr Glück total. Ich erkenne Seligkeit, wenn ich sie sehe. Hassan und Sophie waren selig. Sie waren gesegnet.
    Für die Feier hatte Walter eine Lagerhalle, die er demnächst zu verkaufen gedachte, aufs Aufwendigste verschönern lassen. Er hatte aus dem schlichten Bau einen wahren Palast gemacht und sogar einen kompletten 7,5-Tonner mit Palmen und anderen Pflanzen als Deko herangekarrt. Man musste ihm auch lassen, dass er die Herkunft seines Schwiegersohnes dergestalt würdigte, dass er der Deko ein orientalisches Flair gegeben hatte: überall hingen Tücher und Schleier und Teppiche. Vermutlich stellte sich Walter so

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