Königsklingen (First Law - Band 3)
taubes Bein zu bekommen, und das Zucken wiederum ließ neuerlichen Schmerz durch seine gespaltene Lippe und über sein zerstörtes Gesicht wandern. »Ich werde es mit Sicherheit nicht bedauern, wenn ich heute keinen Schritt mehr gehen muss. Wir können auch hier sitzen und uns über Politik oder irgendwelchen anderen Unsinn unterhalten.«
»Und die Hochzeit des Königs verpassen?«, rief Ardee aus und legte sich in gespieltem Entsetzen die Hand auf die Brust. »Aber ich muss doch sehen, was Prinzessin Terez trägt! Es heißt, sie sei die schönste Frau der Welt, und selbst Abschaum wie ich braucht jemanden, zu dem er aufsehen kann.« Sie legte den Kopf in den Nacken und stürzte den Rest ihres Weins hinunter. »Dass ich den Bräutigam gefickt habe, ist für mich keine Entschuldigung, um der Hochzeit fernzubleiben.«
Das Flaggschiff des Großherzogs Orso von Talins pflügte langsam, unaufhaltsam und majestätisch durch die Wellen. Nur ein Viertel der Segel waren gesetzt, und über ihm kreiste eine Schar schreiender Seevögel am strahlend blauen Himmel. Weder Jezal noch sonst jemand in der großen Menge, die sich am Kai zusammengefunden hatte und die Dächer und Fenster der umliegenden Häuser belagerte, hatte je ein Schiff von dieser Größe gesehen.
Es war aufs Beste herausgeputzt: Bunte Wimpel flatterten von der Takelung, und die drei hoch aufragenden Masten waren mit leuchtenden Flaggen geschmückt, die den gekreuzten Säbel von Talins und die goldene Sonne der Union zeigten, angesichts des freudigen Anlasses nebeneinander gesetzt. Aber dennoch wirkte es nicht weniger bedrohlich, sondern vielleicht ähnlich wie Neunfinger-Logen im Anzug eines Modegecken. Es war unübersehbar ein Kriegsschiff und sah mit dem grellen Putz, den es offensichtlich eher unwillig trug, eher mehr denn weniger kampfeslustig aus. Angesichts der Tatsache, dass dieses mächtige Schiff eine einzelne Frau, noch dazu Jezals zukünftige Braut, nach Adua bringen sollte, vermittelte es keine besonders beruhigende Botschaft. Es deutete an, dass er mit Großherzog Orso einen Schwiegervater bekam, der andere ohne Schwierigkeiten einzuschüchtern wusste.
Nun sah Jezal auch die Seeleute, die zwischen den unzähligen Seilen herumkletterten wie Ameisen auf einem Busch und dabei den halben Morgen Segeltuch in wohlgeübter Geschwindigkeit einholten. Dadurch pflügte das gewaltige Schiff nun mit eigenem Schwung weiter durchs Wasser, und sein großer Schatten fiel über den Kai und tauchte die Hälfte der Willkommensgesellschaft in Dunkelheit. Dann wurde es langsamer, und die Luft war erfüllt vom Knarren der Spanten und Taue, bis seine Bewegung endgültig gebremst wurde und es die winzig wirkenden Boote, die an seiner Seite lagen, so hoheitsvoll überragte wie ein Tiger einen Wurf junger Katzen. Die goldene Galionsfigur, eine Frau von doppelter Lebensgröße, die einen Speer gen Himmel schleuderte, schimmerte bedrohlich hoch über Jezals Kopf.
In der Mitte des Kais, wo der Hafen am tiefsten war, hatte man für diesen Anlass eine riesige Rampe gebaut, und über diese sanfte Neigung betraten nun die königlichen Besucher aus Talins den Boden von Adua, wie Besucher von einem weit entfernten Stern, wo jeder reich, schön und offensichtlich glücklich war.
Auf beiden Seiten begleitete sie eine Reihe bärtiger Wachleute, die gleich aussehende schwarze Uniformen trugen und ihre Helme derart poliert hatten, dass sie hart wie Spiegel strahlten. Zwischen ihnen ging in zwei Sechserreihen ein Dutzend Kammerfrauen, die in roter, blauer oder leuchtend purpurner Seide gekleidet waren und selbst schon so strahlend wie Königinnen aussahen.
Aber unter den ehrfürchtig staunenden Menschen am Kai hegte niemand den geringsten Zweifel daran, wem wirklich alle Aufmerksamkeit gebührte. An der Spitze glitt Prinzessin Terez dahin – groß, schlank, unvorstellbar königlich, so geschmeidig wie eine Zirkustänzerin und so stattlich wie eine Kaiserin aus den alten Legenden. Ihr rein weißes Gewand war mit funkelndem Gold bestickt, ihr schimmerndes Haar hatte die Farbe polierter Bronze, und eine Kette aus gewaltigen Diamanten leuchtete und blitzte auf ihrer bleichen Brust im hellen Sonnenlicht. Dass man sie das Juwel von Talins nannte, schien in diesem Augenblick vollkommen zu ihr zu passen. Terez wirkte so rein und überwältigend, so stolz und strahlend, so hart und schön wie ein makelloser Edelstein.
Als ihre Füße das Pflaster berührten, brach die Menge in laute
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