Königsklingen (First Law - Band 3)
für mich aus Ihrem verwitterten Fleisch ziehen, wenn es sein muss. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Klar wie Glas aus Visserine. Zwei Wochen, um die Antworten zu finden, oder ... Teile einer zerstückelten Wasserleiche am Kai gefunden. Aber dann, wenn ich die richtigen Fragen stelle, werden Valint und Balk Seiner Eminenz von unserer Abmachung berichten und ... vom Meerwasser aufgedunsen, schrecklich verstümmelt, gar nicht mehr zu erkennen. Schade um den armen Superior Glokta. Ein angenehmer und sehr beliebter Mann, aber er hatte so viel Pech. Wohin soll er sich nur wenden?
»Ich verstehe, Herr Erzlektor.«
»Und weswegen sitzen Sie dann noch hier herum?«
Ardee West öffnete selbst die Tür, ein halbvolles Weinglas in der Hand. »Ah! Superior Glokta, welch angenehme Überraschung. Kommen Sie doch herein!«
»Sie klingen beinahe erfreut, mich zu sehen.«
Eine wirklich ausgesprochen ungewohnte Reaktion auf mein Erscheinen.
»Wieso sollte ich das nicht sein?« Sie trat elegant beiseite, um ihn vorbeizulassen. »Wie viele junge Frauen können sich rühmen, einen Folterknecht als Anstandsdame zu haben? Es gibt nichts, was mögliche Werber mehr anstachelt.«
Er humpelte über ihre Schwelle. »Wo ist Ihr Zimmermädchen?«
»Sie hat sich fürchterlich aufgeregt, weil doch die Gurkhisen oder sonst wer im Anmarsch sind, deswegen habe ich sie gehen lassen. Sie ist zu ihrer Mutter nach Martenhorm.«
»Und Sie haben auch schon alles für die Abreise gepackt, hoffe ich?« Er folgte ihr in das warme Wohnzimmer. Die Läden und Vorhänge waren geschlossen, und der Raum wurde von dem zuckenden Glühen der Kohlen im Kamin erhellt.
»Nun, ich habe beschlossen, in der Stadt zu bleiben.«
»Tatsächlich? Die tragische Prinzessin, die sich in ihrem Schloss der Schwermut hingibt? Von den treulosen Dienstboten verlassen, ringt sie nun die hilflosen Hände, während ihre Feinde schon den Burggraben umstellt haben?« Glokta schnaubte. »Sind Sie sicher, dass Ihnen diese Rolle liegt?«
»Besser als Ihnen die des Ritters auf dem weißen Schlachtross, der heranstürmt, um die Jungfrau mit blitzender Klinge zu befreien.« Sie sah verächtlich an ihm herunter. »Ich hatte auf einen Helden gehofft, der zumindest noch die Hälfte seiner Zähne hat.«
»Ich dachte, Sie seien inzwischen daran gewöhnt, nicht alles zu bekommen, worauf Sie hofften.«
Bei mir ist es längst so, das weiß ich.
»Nun, was soll ich sagen. Ich bin nun mal eine Romantikerin. Sind Sie deswegen hierhergekommen, um meine Träume wie Seifenblasen platzen zu lassen?«
»Nein. Das tue ich schon, ohne es wirklich darauf anzulegen. Ich dachte eher an einen Schluck Wein und eine Unterhaltung, bei der es zur Abwechslung einmal nicht unterschwellig um meine zerstückelte Leiche geht.«
»Zu diesem Zeitpunkt kann ich schwer voraussagen, welche Richtung unsere Unterhaltung nehmen könnte, aber den Schluck Wein kann ich Ihnen versprechen.« Sie schenkte ihm ein Glas ein, und er leerte es mit vier großen Schlucken. Dann streckte er es ihr wieder hin und lutschte an seinem süßen Zahnfleisch.
»Aber nun einmal im Ernst, es wird höchstens noch eine Woche dauern, bevor die Gurkhisen Adua belagern werden. Sie sollten die Stadt so schnell wie möglich verlassen.«
Erneut füllte sie sein Glas, dann ihr eigenes. »Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass die halbe Stadt denselben Gedanken gefasst hat? Jede flohzerbissene Mähre, die nicht für die Truppen requiriert wurde, wechselt inzwischen für fünfhundert Mark den Besitzer. Ängstliche Bürger strömen in alle Ecken Midderlands. Ganze Trecks schutzloser Flüchtlinge quälen sich eine Meile pro Tag durch Schlamm und Dreck, während das Wetter allmählich kälter wird, beladen mit allen Wertgegenständen, die sie besitzen, und sind so leichte Beute für jede Räuberbande im Umkreis von hundert Meilen.«
»Das ist wahr«, musste Glokta zugeben, während er sich auf seine schmerzgeplagte Weise in den Sessel am Feuer hineindrehte.
»Und wo sollte ich überhaupt hin? Ich habe keinen einzigen Freund oder Verwandten irgendwo in Midderland. Wollen Sie, dass ich mich irgendwo im Wald verstecke, zwei Hölzer aneinanderreihe, bis ich mir ein Feuer machen kann, und Eichhörnchen mit der Hand nachstelle? Wie könnte ich unter solchen Umständen überhaupt betrunken bleiben? Nein danke, ich bin hier viel sicherer und habe es weitaus gemütlicher. Ich habe Kohlen für mein Feuer, und der Keller ist bis unters Dach gefüllt. Ich kann
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