Königsklingen (First Law - Band 3)
müssen Opfer gebracht werden, Ferro, das weißt du doch. Ich habe heute ein großes Opfer gebracht. Meinen eigenen Bruder.« Der Erste der Magi humpelte durchs Zimmer auf sie zu. »Tolomei brach das Erste Gebot. Sie schloss einen Pakt mit den Geheimnisverrätern. Sie wollte den Samen dazu verwenden, um die Tore zur Unterwelt zu öffnen. Damit wäre sie gefährlicher gewesen als alle Verzehrer Khaluls zusammen. Das Haus des Schöpfers muss versiegelt bleiben. Bis zum Ende aller Zeiten, wenn es sein muss. Eine Entwicklung nicht ohne Ironie. Sie begann ihr Leben eingeschlossen in diesem Turm. Jetzt ist sie dorthin zurückgekehrt. Die Geschichte bewegt sich im Kreis, wie Juvens schon immer sagte.«
Ferro runzelte die Stirn. »Scheiß auf deine Kreise, Rosig. Du hast mich angelogen. Was Tolomei betrifft. Und den Schöpfer und überhaupt alles.«
»Und?«
Sie blickte noch finsterer drein. »Yulwei war ein guter Mensch. Er hat mir in der Wüste geholfen. Er hat mir das Leben gerettet.«
»Und auch mir, mehr als einmal. Aber gute Menschen können auf dunklen Wegen nur eine gewisse Strecke zurücklegen.« Bayaz’ helle Augen glitten zu dem Würfel aus dunklem Metall unter Ferros Hand. »Andere müssen den Rest des Pfades für sie beschreiten.«
Sulfur kam durch die Tür, und Bayaz zog nun die Waffe unter seinem Mantel hervor, die er aus dem Haus des Schöpfers mitgebracht hatte, graues Metall, das im sanften Licht von den Fenstern schimmerte. Ein Relikt aus der Alten Zeit. Eine Waffe, die, wie Ferro gesehen hatte, Stein wie Butter schnitt. Sulfur nahm sie ihm mit nervösem Respekt ab und wickelte sie vorsichtig in altes Ölzeug. Dann öffnete er seinen Ranzen und ließ das alte schwarze Buch herausgleiten, das Ferro schon einmal gesehen hatte. »Jetzt?«, fragte er leise.
»Jetzt.« Bayaz nahm es ihm ab, legte die Hand sanft auf den vernarbten Umschlag, schloss die Augen und holte tief Luft. Als er sie wieder öffnete, sah er Ferro direkt ins Gesicht. »Die Wege, auf denen wir nun wandeln müssen, du und ich, sind wahrlich dunkel. Das hast du jetzt gesehen.«
Sie fand keine Antwort darauf. Yulwei war ein guter Mensch gewesen, aber das Tor zum Haus des Schöpfers war versiegelt, und er war im Himmel oder in der Hölle. Ferro hatte viele Männer auf die verschiedenste Weise begraben. Ein weiterer Erdhügel in der Wüste war nichts Außergewöhnliches. Sie war es satt, ihre Rache nur körnchenweise ausüben zu dürfen. Dunkle Wege machten ihr keine Angst. Sie hatte sie ihr ganzes Leben lang beschritten. Selbst durch das Metall der Kiste hindurch hatte sie das Gefühl, dass sie einen ganz feinen Hauch von einem Flüstern vernahm, das zu ihr sprach. »Ich will nur meine Rache.«
»Und du sollst sie haben, wie ich dir versprochen habe.«
Sie stand Bayaz gegenüber, sie sahen einander ins Gesicht, und sie zuckte die Achseln. »Was spielt es dann für eine Rolle, wer vor tausend Jahren wen getötet hat?«
Der Erste der Magi lächelte elend, und seine Augen leuchteten hell in seinem blassen, blutigen Gesicht. »Du sprichst mir aus der Seele.«
DER HELD VON MORGEN
Die Hufe von Jezals grauem Schlachtross klapperten gehorsam über die schwarze Erde. Es war ein wunderschönes Tier, genau von der Art, wie er es schon immer einmal hatte reiten wollen. Pferdefleisch im Wert von siebentausend Mark, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Ein Ross, das jedem Mann in seinem Sattel, so unbedeutend er auch sein mochte, das Ansehen eines Königs verlieh. Jezals schimmernde Rüstung war aus bestem styrischem Stahl gefertigt und mit Gold belegt, und er trug einen Mantel aus feinster Seide aus Suljuk, mit Hermelinpelz abgesetzt. Der Griff seines Schwertes war mit Diamanten besetzt, die funkelten, sobald die Sonne durch die Wolken über ihren Köpfen brach. Auf seine Krone hatte er heute verzichtet und sich nur einen schlichten goldenen Reif aufgesetzt, dessen Gewicht beträchtlich weniger hart auf den wunden Stellen lastete, die sich an seinen Schläfen gebildet hatten.
Die äußeren Zeichen der Königswürde. Schon als Kind hatte Jezal davon geträumt, dass andere ihm gehorchten und dass er angehimmelt und vergöttert wurde. Jetzt wurde ihm beinahe schlecht, wenn er daran dachte. Obwohl das vielleicht auch nur daran lag, dass er in der Nacht zuvor kaum geschlafen und beim Frühstück so gut wie nichts zu sich genommen hatte.
Lord Marschall Varuz ritt an Jezals rechter Seite und sah so aus, als ob ihn sein Alter endlich eingeholt
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