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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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markiges Bild der Schrecken des Krieges zu zeichnen.
    »König Jezal!«, ertönte der nächste Ruf, gefolgt von einem schwachen »Hurra!«
    Ihre Bewunderung war wie Gift für ihn. So fühlte er die Schwere der Verantwortung nur noch heftiger. Er wandte sich ab, da er sich nicht mehr in der Lage fühlte, seine verzerrte Abart eines Lächelns weiter aufrechtzuerhalten.
    »Was habe ich getan?«, flüsterte er und zupfte mit der einen Hand unaufhörlich an den Fingern der anderen. »Was habe ich getan?« Mühevoll stieg er wieder in den Sattel, und die Schuld fraß sich in seine Eingeweide. »Bringen Sie mich näher zum Arnaultwall.«
    »Aber Majestät, ich glaube nicht, dass ...«
    »Sie haben gehört, was ich gesagt habe! Näher an die Kämpfe. Ich will sie sehen.«
    Varuz runzelte die Stirn. »Nun gut.« Er wendete sein Pferd und führte Jezal und seine Leibwache in Richtung des Bezirks Bogen, einen Weg entlang, der gleichzeitig vertraut und doch schrecklich verändert war. Ein paar nervöse Minuten später zügelte der Marschall sein Ross und deutete eine verlassene Straße entlang, die nach Westen führte. Dann sagte er leise, als fürchte er, dass der Feind ihn hören könnte: »Der Arnaultwall ist keine hundert Schritt mehr entfernt, und die Gurkhisen wimmeln auf der anderen Seite herum. Wir sollten wirklich umkehren ...«
    Jezal fühlte, wie sein Sattel eine leichte Erschütterung übertrug, sein Pferd bäumte sich auf, und Staub rieselte von den Dächern der Häuser auf einer Straßenseite.
    Er wollte gerade den Mund öffnen und fragen, was geschehen war, als ein donnernder Lärm die Luft zerriss. Ein dröhnender, schrecklicher, durchdringender Krach, der Jezals Ohren summen ließ. Männer holten erschrocken Luft und glotzten. Die Pferde schlugen aus und buckelten, die Augen vor Angst verdreht. Varuz’ Ross stieg und kippte den alten Soldaten ohne viel Federlesens aus dem Sattel.
    Jezal achtete nicht auf ihn, er war viel zu sehr damit beschäftigt, sein eigenes Tier in die Richtung zu treiben, aus der die Explosion gekommen war. Kleine Steine regneten allmählich zu Boden, klapperten auf die Dächer und schlugen auf die Straße wie Hagelkörner. Eine große Wolke aus braunem Staub stieg im Westen in den Himmel.
    »Euer Majestät!«, rief Gorst beschwörend aus. »Wir sollten umkehren!« Aber Jezal hörte nicht auf ihn.
    Er ritt auf einen breiten Platz, auf dem sich eine Menge Schutt über die geborstenen Pflastersteine verteilte, darunter Stücke, die schon fast die Größe eines kleinen Schuppens hatten. Als sich der erstickende Staub allmählich legte und einer unheimlichen Stille wich, wurde Jezal klar, dass er den Platz kannte. Nur zu gut. Auf der Nordseite lag eine Taverne, die er häufig besucht hatte, aber es hatte sich etwas verändert – es war alles viel offener als früher ... Ihm klappte der Kiefer auf. Der Platz war zum Westen hin von einem langen Abschnitt des Arnaultwalls begrenzt worden. Dort gähnte nur noch ein großer Krater.
    Die Gurkhisen mussten eine Mine eingegraben haben, die mit ihrem verdammten Sprengpulver gefüllt war. Ausgerechnet in diesem Augenblick beschloss die Sonne, durch die Wolken zu brechen, und Jezal konnte nun durch die klaffende Lücke bis in den verwüsteten Stadtbezirk Bogen blicken. Dort auf der anderen Seite sammelte sich eine beträchtliche Zahl gurkhisischer Soldaten und schickte sich an, mit schimmernden Rüstungen und geschwenkten Speeren den Schutthang hinabzuklettern, den die Sprengung hinterlassen hatte.
    Der Erste hatte den Krater bereits durchmessen und den zerstörten Platz erreicht. Ein paar halb bewusstlose Verteidiger mühten sich hustend und spuckend durch den Staub. Andere bewegten sich überhaupt nicht mehr. Es war niemand da, der die Gurkhisen zurücktreiben konnte, so weit Jezal sehen konnte. Niemand außer ihm. Er fragte sich, was Harod der Große in seiner Lage wohl getan hätte.
    Die Antwort fiel ihm nicht weiter schwer.
    Mut kann man an den verschiedensten Orten finden und aus den verschiedensten Quellen schöpfen, und aus dem Feigling von gestern kann der Held von morgen werden, wenn die rechte Zeit gekommen ist. Der Schwindel der Tapferkeit, der Jezal in diesem Augenblick packte, bestand zum großen Teil aus Schuld, Angst und der Scham über diese Angst, speiste sich aus dem Missmut darüber, dass nichts so gekommen war, wie er es sich erhofft hatte, und aus der plötzlichen, vagen Erkenntnis, dass sein Tod eine Menge verstörender Probleme

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