Königsklingen (First Law - Band 3)
nicht jetzt, wo sie so dreckig und blutig, schmutz- und schweißverklebt zurückkehrte und noch dazu rannte, als ob ihr ein Teufel auf den Fersen sei.
»Warte mal, du!« Ferro wollte sich vorbeidrängen, aber einer von ihnen packte sie.
»Lasst mich los, ihr verdammten, blöden Rosigs!«, zischte sie. »Ihr wisst nicht, was los ist!« Damit versuchte sie sich dem Griff zu entwinden, und eine vergoldete Hellebarde knallte auf den Boden, als einer der Wachmänner die Arme um Ferro schlang.
»Dann erklär es uns doch!«, schnarrte es hinter dem Visier des anderen hervor. »Wieso hast du es so eilig?«
Seine behandschuhte Faust griff nach der Ausbuchtung in ihrem Hemd. »Was hast du da ...«
»Nein!« Ferro fauchte und wand sich, taumelte gegen die Wand und drängte einen der Wachmänner in den Durchgang. Die Hellebarde des anderen schwang elegant herab, und die schimmernde Spitze senkte sich auf Ferros Brust.
»Halt still!«, knurrte der Mann, »sonst werde ich ...«
»Lasst sie hinein! Sofort!« Sulfur stand auf der anderen Seite des Tores, und dieses Mal lächelte er nicht. Der Wachmann wandte ihm zweifelnd den Kopf zu. »Sofort!«, brüllte Sulfur, »im Namen von Lord Bayaz!«
Die beiden ließen sie gehen, und Ferro machte sich fluchend los. Dann rannte sie durch die Gärten und in den Palast, ihre Schritte hallten durch die Korridore, und Dienstboten und Wachleute machten ihr misstrauisch Platz. Sie fand die Tür zu Bayaz’ Gemächern und stieß sie auf, dann stolperte sie ins Zimmer. Die Kiste stand offen auf einem Tisch in der Nähe des Fensters, ein unauffälliger Block aus schwarzem Metall. Sie ging darauf zu, knöpfte ihr Hemd auf und zog das Ding hervor, das sie darunter versteckt gehalten hatte.
Ein dunkler, schwerer Stein von der Größe einer Faust. Die matte Oberfläche war immer noch kühl, kein bisschen wärmer als vorhin, als sie ihn zuerst in die Hand genommen hatte. Ihre Haut prickelte angenehm, wie unter der Berührung eines alten Freundes. Es machte sie irgendwie wütend, überhaupt daran zu denken, dass sie den Stein jetzt loslassen sollte.
Das war also endlich der Samen. Die fleischgewordene Andere Seite. Magie der reinsten Form. Sie erinnerte sich an die verödeten Ruinen von Aulcus. An das tote Land, das sich um die Stadt herum erstreckte, hundert Meilen in jede Richtung. Genug Kraft, um den Imperator und den Propheten und seine verfluchten Verzehrer und das ganze gurkhisische Volk und noch viel mehr in die Hölle zu schicken. Eine Kraft, die so schrecklich war, dass nur Gott allein sie besitzen sollte, und diese Kraft hielt sie nun in ihrer zarten Faust. Sie sah sie eine lange Zeit an. Dann begann Ferro langsam zu lächeln.
Jetzt würde sie ihre Rache bekommen.
Das Geräusch schwerer Schritte auf dem Flur brachte sie ruckartig zur Vernunft. Sie ließ den Samen in sein Nest fallen, riss ihre Hand mit Mühe von ihm los und schlug den Deckel der Kiste zu. Als hätte man in einem dunklen Zimmer eine Kerze ausgeblasen, erschien plötzlich alles gedämpfter, schwächer, seines Kitzels beraubt. Erst in diesem Augenblick merkte sie, dass ihre Hand ganz heil war. Sie sah sie mit gerunzelter Stirn an und dehnte ihre Finger. Sie bewegten sich so mühelos wie immer, und an den Knöcheln, von denen sie sich sicher gewesen war, dass sie zerschmettert worden waren, ließ sich keine Schwellung erkennen. Auch ihr anderer Arm war ganz, der Unterarm war gerade und glatt, und dort, wo Tolomeis Finger ihn gebrochen hatten, war nichts mehr zu sehen. Zwar waren Wunden bei ihr stets schnell verheilt. Aber dass sich Knochen selbst richteten, und das binnen so kurzer Zeit?
Das war nicht in Ordnung.
Bayaz schleppte sich mit verzerrtem Gesicht durch die Tür. Trockenes Blut klebte an seinem Bart, und ein dünner Schweißfilm bedeckte seinen kahlen Schädel. Er atmete keuchend, seine Haut war blass und zuckte, und einen Arm hielt er gegen seine Seite gepresst. Er sah aus wie ein Mann, der den ganzen Nachmittag gegen einen Dämon gekämpft hatte und knapp mit dem Leben davongekommen war.
»Wo ist Yulwei?«
Der Erste der Magi erwiderte ihren Blick. »Du weißt genau, wo er ist.«
Ferro erinnerte sich an das hallende Dröhnen, als sie aus dem Turm gerannt war. Als ob eine Tür zugeworfen wurde. Eine Tür, die keine Klinge, kein Feuer, keine Zauberkunst je öffnen konnte. Bayaz allein hatte den Schlüssel. »Du bist nicht zurückgegangen. Du hast die Tore versiegelt, als sie beide noch darin waren.«
»Es
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