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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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schon tot waren. Er war der lächerlichste Versuch eines Königs, den die ganze Union hätte hervorbringen können. Es gelang ihm nicht einmal, in seine eigene bittere Illusion einer Ehe einen Hauch von Glück zu bringen, von der Nation ganz zu schweigen. Sein Ruf gründete sich auf lauter Lügen, die zu berichtigen er sich nicht getraut hatte. Er war eine machtlose, rückgratlose, hilflose Null.
    »Wo ungefähr sind wir jetzt?«, murmelte er, als sie einen großen Platz erreichten, über den der Wind hinwegfegte.
    »Na, das hier sind die Vier Ecken, Euer Majestät.«
    »Was? Das kann doch nicht ...« Er verstummte, und es traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, als er den Ort tatsächlich wiedererkannte.
    Es standen nur noch zwei Grundmauern des Gebäudes, das einmal das Gildehaus der Tuchhändler gewesen war; Fenster und Türöffnungen glotzten mit den reglosen Gesichtszügen von Leichen, die im Augenblick ihres Todes erstarrt waren, ins Leere. Das Pflaster, auf dem Hunderte bunter Stände ihre Waren feilgeboten hatten, war gesprungen und mit klebrigem Ruß bedeckt. Die Gärten hatten sich in blattlose Flecken kahler Erde und verbrannten Dorngestrüpps verwandelt. Die Luft hätte von den Rufen der Händler, dem Klatsch der Dienstboten, dem Gelächter der Kinder erfüllt sein sollen. Stattdessen herrschte eine tödliche Stille, abgesehen vom kalten Wind, der um die zerstörten Häuser pfiff und schwarzen Gries in Wellen durch das Herz der Stadt trieb.
    Jezal zügelte sein Pferd, und seine Eskorte, zu der etwa zwanzig Ritter der Wacht, fünf Heroldsritter, ein Dutzend Männer aus Varuz’ Stab und ein nervöser Page zählten, hielten rasselnd um ihn herum an. Gorst sah mit gerunzelter Stirn zum Himmel. »Euer Majestät, wir sollten weiterreiten. Wir sind hier nicht sicher. Wir wissen nicht, wann die Gurkhisen wieder mit dem Beschuss beginnen werden.«
    Jezal überhörte seinen Einwand, schwang sich aus dem Sattel und schritt durch die Trümmer. Es war kaum zu glauben, dass dies hier derselbe Ort war, an dem er früher Wein gekauft, nach kleinen Geschenken gestöbert, sich eine neue Uniform hatte anpassen lassen. Keine hundert Schritt entfernt, auf der anderen Seite einer Reihe rauchender Ruinen, stand die Statue von Harod dem Großen, unter der er sich im Schutze der Dunkelheit mit Ardee getroffen hatte. Es kam ihm vor, als sei das inzwischen hundert Jahre her.
    Nun hatte sich dort an der Ecke eines niedergetrampelten Gartens eine bemitleidenswerte Gruppe von Menschen versammelt. Hauptsächlich Frauen und Kinder, aber auch einige alte Männer. Dreckig und am Rande der Verzweiflung, einige an Krücken oder mit blutigen Verbänden, hielten sie wenige gerettete Besitztümer umklammert. Es waren jene, die in den Bränden der letzten Nächte, der letzten Nacht, ihr Zuhause verloren hatten. Jezal blieb beinahe das Herz stehen. Ardee war darunter, sie saß in einem dünnen Kleid auf einem Stein, zitterte und starrte auf den Boden, und das dunkle Haar verdeckte eine Hälfte ihres Gesichts. Ruckartig ging er auf sie zu und lächelte zum ersten Mal seit Wochen. Jedenfalls kam es ihm so vor.
    »Ardee.« Sie wandte sich um, die Augen weit aufgerissen, und Jezal erstarrte. Ein ganz anderes Mädchen, jünger und längst nicht so hübsch. Sie sah blinzelnd zu ihm auf und wiegte sich langsam vor und zurück. Seine Hände zuckten unwillkürlich, und er murmelte etwas Unzusammenhängendes. Aller Augen waren auf ihn gerichtet. Er konnte sich nun unmöglich einfach abwenden. »Bitte, nehmen Sie das hier.« Er löste die Schnallen seines karmesinroten Mantels und hielt ihn ihr hin.
    Sie sagte nichts, als sie ihm das Kleidungsstück abnahm, sondern starrte ihn nur weiter an. Eine alberne, sinnlose Geste, und so heuchlerisch, dass sie schon beinahe beleidigend war. Aber die obdachlosen Bürger schienen anders zu denken.
    »Ein Hoch auf König Jezal!«, rief jemand, und lautstarke Hochrufe folgten.
    Ein junger Bursche, der an Krücken ging, starrte ihn mit verzweifelt staunenden Augen an. Ein Soldat trug einen blutigen Verband über einem Auge, während das andere vor Stolz feucht schimmerte. Eine Mutter hielt einen Säugling an sich gedrückt, den sie in etwas gewickelt hatte, was bedenklich nach einem Streifen von einer Unionsflagge aussah. Es schien, als sei dieser Augenblick sorgsam inszeniert worden, um eine größtmögliche gefühlsmäßige Wirkung hervorzurufen. Als hätte ein Maler sich die Kulisse zusammengestellt, um ein grelles und

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