Königsklingen (First Law - Band 3)
hatte. Diese Fähigkeit kehrte unvermittelt zu ihm zurück, als sei er jahrelang jede Nacht zwischen Bäumen umhergeschlichen. Stimmen hallten durch die Nacht, und Logen hielt inne und blieb ganz still hinter einem Baum stehen, um zu lauschen.
»Wo ist Drecknase?«
Darauf folgte eine Pause. »Tot, nehm ich an.«
»Tot? Wie das?«
»Sie hatten irgendjemanden dabei, Krähe. Irgend so ein großes Arschloch.« Krähe. Diesen Namen kannte Logen. Und er erkannte jetzt auch die Stimme. Ein Namhafter Mann, der für Kleinknochen gekämpft hatte. Sie waren wohl nicht gerade Freunde gewesen, er und Logen, aber sie waren einander begegnet. Sie hatten in der Schlacht um Carleon mehr oder weniger Seite an Seite gekämpft. Und jetzt waren sie einander wieder nahe, nur wenige Schritte lagen zwischen ihnen, und sie waren mehr als willens, sich gegenseitig umzubringen. Seltsam, wie das Blatt sich manchmal wendet. Ob man mit oder gegen einen Mann kämpft, liegt oft ganz eng beieinander. Näher jedenfalls, als dass man überhaupt nicht kämpft.
»Ein Nordmann, oder?«, ertönte Krähes Stimme.
»Vielleicht. Wer auch immer das war, er versteht sein Geschäft. Der kam richtig schnell über uns. Ich hatte keine Zeit, einen Pfeil loszulassen.«
»Verdammter Drecksack! Den können wir nicht entkommen lassen. Wir werden hier lagern und ihnen morgen folgen. Vielleicht kriegen wir ihn dann, diesen großen Kerl.«
»Ach was, den kriegen wir auf alle Fälle, verdammt noch mal. Mach dir deswegen keine Sorgen. Dem schneide ich den Hals durch, diesem Arschloch.«
»Schön, dass du es so siehst. Bis dahin kannst du nach ihm Ausschau halten, während wir anderen ein bisschen schlafen. Vielleicht hält dich dein Zorn ja dieses Mal wach, was?«
»Klar, Häuptling. Hast ja recht.«
Logen blieb sitzen und beobachtete sie. Durch die Bäume konnte er ein wenig zu ihrem Lager hinübersehen, und er verfolgte, wie vier von ihnen ihre Decken ausbreiteten und sich zum Schlafen einrollten. Der fünfte nahm seinen Platz mit dem Rücken zu den anderen ein und blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er hielt Wache. Logen wartete, bis er hörte, dass einer zu schnarchen begann. Regen kam auf und tropfte und rieselte auf die Kiefernäste. Nach kurzer Zeit rann er Logen ins Haar, in die Kleider, das Gesicht hinunter und auf den nassen Boden, tropf tropf tropf. Logen saß da, so still und ruhig wie ein Stein.
Geduld kann eine schreckliche Waffe sein. Eine, die nur wenige Männer wirklich meistern. Es ist eine harte Herausforderung, weiter fest entschlossen ans Töten zu denken, auch wenn man nicht mehr in Gefahr ist und das Blut abkühlt. Aber Logen hatte diesen Kniff stets beherrscht. Und so saß er da, ließ die langsame Zeit verrinnen und dachte an vergangene Tage, bis der Mond hoch am Himmel stand und bleiches Licht mit dem nieselnden Regen durch das Astwerk drang. Licht genug, damit er sehen konnte, was er zu tun hatte.
Er löste seine Beine aus dem Schneidersitz und setzte sich in Bewegung. Vorsichtig tastete er sich zwischen den Baumstämmen entlang, wobei er seine Füße sanft und leise ins Unterholz setzte. Der Regen war sein Verbündeter, denn das Tröpfeln und Prasseln überlagerte das leise Geräusch seiner Stiefel, als er einen Kreis schlug und sich von hinten an den Wächter heranschlich.
Er zog ein Messer hervor. Die nasse Klinge glänzte in den Mondlichtflecken, als er zwischen den Bäumen hervorkam und in ihr Lager schlich. Mitten durch die Reihe der schlafenden Männer ging er, so nahe, dass er sie hätte berühren können. Nahe wie ein Bruder. Der Wächter schniefte und rührte sich schlecht gelaunt, zog sich die nasse Decke um die Schultern, die mit perlenden, schimmernden Regentropfen besetzt war. Logen hielt inne und wartete, sah auf das blasse Gesicht eines Schlafenden hinab, der auf der Seite lag, die Augen geschlossen und den Mund weit geöffnet, und dessen Atem wie dünner Nebel in die feuchte Nachtluft strömte.
Der Wächter saß jetzt still da, und Logen glitt mit angehaltenem Atem ganz nahe hinter ihn. Er streckte die linke Hand aus, reckte die Finger in der klammen Luft und erspürte den richtigen Augenblick. Dann streckte er die rechte Hand aus, die Faust fest um den harten Griff des Messers gekrallt. Er fühlte, wie seine Lippen die zusammengebissenen Zähne freigaben. Jetzt war der richtige Moment gekommen, und wenn er da ist, muss man ohne zu zögern zuschlagen.
Logen griff nach vorn, drückte seine Hand
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