Königsklingen (First Law - Band 3)
dass sich hin und wieder ein Gesicht über dieser Barriere zeigte, das zum Wald hinüberspähte, und das schwache Licht des fast verlöschenden Feuers schimmerte auf den Spitzen von Pfeilen oder Speeren. Sie hatten sich eingegraben und warteten auf den nächsten Angriff. Nachdem sie vorher schon angespannt gewesen waren, machten sie sich jetzt vermutlich in die Hosen. Höchstwahrscheinlich würde einer von ihnen die Nerven verlieren und auf ihn schießen, sobald er sich zeigte. Die verdammten Unionsbogen hatten eine Vorrichtung, die den Pfeil mit nur einer Berührung von der Sehne schnellen ließ, wenn sie einmal gespannt war. Das hätte noch gefehlt, dass er mitten im Niemandsland ohne Grund erschossen wurde, noch dazu von seinen eigenen Leuten, aber er hatte keine andere Wahl. Es sei denn, dass er zu Fuß zur Front weiter marschieren wollte.
Also räusperte er sich und rief laut: »Jetzt bitte nicht schießen!« Eine Sehne löste sich mit lautem Schwirren, und ein Bolzen drang ein paar Schritt links von ihm in einen Baum. Logen duckte sich auf den matschigen Boden. »Nicht schießen, habe ich gesagt!«
»Wer ist da?«
»Ich bin es, Neunfinger!« Schweigen. »Der Nordmann, der mit auf dem Wagen war!«
Eine lange Pause, und es wurde geflüstert. »In Ordnung! Aber kommen Sie langsam zu uns rüber und halten Sie Ihre Hände so, dass wir sie sehen können!«
»Kein Problem!« Er richtete sich wieder auf und löste sich aus dem Dunkel des Waldes, die Hände hoch erhoben. »Nur bitte nicht auf mich schießen, ja? Das ist Ihr Teil der Abmachung!«
Er ging auf das Feuer zu, die Arme ausgestreckt und jeden Augenblick befürchtend, dass ein Bolzen seine Brust durchbohren würde. Er erkannte die Gesichter der Soldaten, mit denen er gereist war, und das des Offiziers, der die Nachschubkolonne befehligte. Einige von ihnen folgten ihm mit ihren Bogen, als der Offizier langsam über den behelfsmäßigen Wall kletterte und dann in den Graben sprang, der vor dem Feuer ausgehoben worden war, allerdings nicht besonders gut. Auf dem Boden hatte sich eine große Wasserlache gebildet.
»Wo, zur Hölle, sind Sie gewesen?«, donnerte der Offizier zornig.
»Ich habe die Kerle verfolgt, die uns heute Abend angegriffen haben.«
»Und haben Sie sie erwischt?«, fragte einer der Soldaten.
»Allerdings.«
»Und?«
»Tot.« Logen nickte zu der Pfütze auf dem Boden des Lochs hinunter. »Sie müssen also heute Nacht nicht im Wasser schlafen. Ist noch was von der Suppe da?«
»Wie viele waren es?«, bellte der Offizier.
Logen stocherte in der Glut des Feuers, aber der Topf war leer. Das war mal wieder typisch. »Fünf.«
»Sie, ganz allein, gegen fünf?«
»Am Anfang waren es sechs, aber einen habe ich gleich erledigt. Der liegt da hinten irgendwo zwischen den Bäumen.« Logen wühlte einen Kanten Brot aus seinem Rucksack und stippte ihn in den Kessel, in der Hoffnung, zumindest noch ein wenig von der Fleischbrühe zu ergattern. »Dann wartete ich, bis sie schliefen, damit ich jeweils nur einen zugleich gegen mich haben würde. Mit der Taktik habe ich bisher immer Glück gehabt.« Allerdings fühlte er sich nicht so, als hätte er Glück gehabt. Seine Hand war im Licht des Feuers noch immer blutbefleckt. Dunkles Blut saß unter seinen Fingernägeln und war tief in die Linien seiner Hand eingedrungen. »Ich hatte immer Glück.«
Der Offizier sah wenig überzeugt aus. »Woher wissen wir, dass Sie keiner von denen sind? Dass Sie nicht für die spionieren? Dass diese Kerle nicht da draußen darauf warten, dass Sie ihnen ein Zeichen geben, wenn wir besonders verwundbar sind?«
»Sie waren auf der ganzen Fahrt besonders verwundbar«, schnaubte Logen. »Aber es ist eine berechtigte Frage. Ich dachte mir schon, dass Sie so denken würden.« Er zog eine Leinentasche von seinem Gürtel. »Deswegen habe ich Ihnen das hier mitgebracht.« Der Offizier runzelte die Stirn, griff nach dem Beutel und sah misstrauisch ins Innere. Dann schluckte er. »Wie ich schon sagte, es waren fünf. Deswegen sind da fünf Daumen drin. Sind Sie damit zufrieden?«
Der Offizier sah eher aus, als wolle ihm schlecht werden, aber er nickte, die Lippen fest zusammengepresst, und hielt Logen den Beutel mit ausgestrecktem Arm wieder hin.
Logen schüttelte den Kopf. »Die können Sie behalten. Mir fehlt ein Finger. Aber ich habe alle Daumen, die ich brauche.«
Der Karren kam mit einem Ruck zum Stehen. Die letzte Wegstunde waren sie nur noch im Schneckentempo
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