Königsklingen (First Law - Band 3)
Stirn. Selbst Bethod hätte er nicht zugetraut, dass er einmal so tief sinken würde, aber es war andererseits nicht das erste Mal, dass er selbst in dieser Hinsicht enttäuscht wurde. »Die Plattköpfe kämpfen für ihn?«
»Ganz genau. Er hat Plattköpfe, und wir haben Nordmänner. Es ist schon eine verrückte Welt.«
»Aber wirklich«, sagte Logen kopfschüttelnd. »Wie viele sind denn bei Euch?«
»Nach letzter Zählung ungefähr dreihundert, obwohl sie sich nicht besonders gern zählen lassen.«
»Dann werde ich jetzt dafür sorgen, dass es dreihundertundeiner werden, wenn Ihr mich haben wollt.«
»Sie lagern dort hinten am linken Flügel«, sagte West und deutete auf die dunkle Baumreihe unter dem Abendhimmel.
»In Ordnung. Wer ist ihr Häuptling?«
»Er heißt Hundsmann.«
Logen starrte ihn einen Augenblick an. »Er heißt wie?« »Hundsmann. Kennt Ihr ihn?«
»Das kann man wohl sagen«, flüsterte Logen, und ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht. »Das kann man wohl sagen.«
Die Dämmerung zog herauf, schnell gefolgt von der Nacht, und sie hatten gerade das lange Feuer angezündet, als Logen zu ihnen heraufkam. Die Carls, die sich daneben niederließen, waren als schwarze Umrisse ihrer Köpfe und Schultern vor den Flammen zu erkennen. Ihre Stimmen und ihr Gelächter klangen laut in die stille Abendluft, nun, da der Regen aufgehört hatte.
Es war lange her, seit er eine größere Gruppe von Menschen hatte Nordisch sprechen hören, und es klang seltsam in seinen Ohren, obwohl es doch seine Muttersprache war. Hässliche Erinnerungen kamen zurück. Eine Menschenmenge, die ihn anbrüllte, die ihn anfeuerte. Männer, die laut brüllend angriffen, die ihre Siege feierten, die ihre Toten beklagten. Irgendwoher zog der Geruch von gekochtem Fleisch zu ihm. Ein süßer, voller Geruch, der seine Nase kitzelte und seinen Magen knurren ließ.
Eine Fackel war an einem Pfahl am Weg befestigt, und ein gelangweilt aussehender junger Kerl stand mit einem Speer daneben. Er sah Logen misstrauisch an, als er sich näherte. Hatte vermutlich den Kürzeren gezogen, dass er hier Wache halten musste, während die anderen aßen, und er sah auch nicht besonders glücklich aus.
»Was willst du?«, knurrte er.
»Ist der Hundsmann hier?«
»Ja, wieso?«
»Ich muss ihn sprechen.«
»Was, jetzt?«
Ein anderer kam zu ihnen, der das beste Mannesalter schon hinter sich gelassen hatte, ein Krieger mit grauem Haar und lederartigem Gesicht. »Was ist hier los?«
»Ein Neuer«, knurrte der Junge. »Will den Häuptling sprechen.«
Der Alte sah Logen mit zusammengekniffenen Augen an. »Kenne ich dich, Freund?«
Logen hob sein Gesicht, so dass das Licht der Fackel darauf fiel. Es war immer besser, einem anderen in die Augen zu sehen, sich zu zeigen und zu beweisen, dass man keine Angst hatte. So hatte sein Vater es ihm beigebracht. »Ich weiß nicht. Kennst du mich?«
»Woher bist du denn gekommen? Von Schlohmähnes Truppe, oder?«
»Nein. Ich habe allein gearbeitet.«
»Allein? Nun denn. Ich glaube, ich erkenne ...« Die Augen des Alten weiteten sich, sein Kiefer klappte nach unten, und sein Gesicht wurde kalkweiß. »Bei all den verdammten Toten«, hauchte er und stolperte einen Schritt zurück. »Es ist der Blutige Neuner!«
Vielleicht hatte Logen gehofft, dass ihn niemand erkennen würde. Dass sie alle ihn vergessen hätten. Dass sie neue Sorgen hätten und er ein Mann wie jeder andere sein würde. Aber jetzt sah er den Gesichtsausdruck des Alten, der den Anschein erweckte, als wolle er sich gleich in die Hosen machen. Und damit war ihm klar, wie es sein würde. Genau wie früher. Und das Schlimmste daran war: Nun, da Logen erkannt worden war und Angst, Entsetzen und Respekt in den Augen des anderen entdeckte, war er sich nicht sicher, ob ihm genau das nicht tatsächlich auch gefiel. Er hatte es sich verdient, oder nicht? Immerhin waren Tatsachen nun einmal Tatsachen.
Er war der Blutige Neuner.
Der Junge hatte es noch immer nicht begriffen. »Wollt ihr mich verarschen? Als Nächstes erzählt ihr mir wahrscheinlich, dass Bethod persönlich hier vorbeikommt, was?« Aber keiner von ihnen lachte, und Logen hob die Hand und blickte durch die Lücke, die sein Mittelfinger hinterlassen hatte. Der Junge sah von dem Stumpf auf den zitternden alten Mann und wieder zurück.
»Ach du Scheiße«, krächzte er.
»Wo ist dein Häuptling, Kleiner?« Logen erschrak, als er seine eigene Stimme hörte. Flach und tot und kalt
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