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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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jeder Seite ein und ließ eine lange Spur aus nacktem Stein in der Mitte frei. An ihrem Ende war eine breite Reihe von Bänken aufgestellt worden, und ein karmesinroter Baldachin zeigte an, dass Mitglieder der königlichen Familie zugegen waren. Der Lärm und das ganze Spektakel waren atemberaubend.
    Jezal erinnerte sich an den triumphalen Empfang, den man Marschall Varuz bereitet hatte, als er von seinem Sieg über die Gurkhisen heimgekehrt war, und er wusste noch, dass er – damals kaum mehr als ein Kind – mit weit aufgerissenen Augen zugesehen hatte. Er hatte einen kurzen Blick auf den Marschall selbst erhascht, der auf einem grauen Schlachtross saß, aber nie hatte er sich träumen lassen, dass ihm selbst einmal eine solche Ehre zuteil werden würde. Es kam ihm immer noch seltsam vor, wenn er ganz ehrlich war. Er hatte schließlich nur einen Pöbelhaufen aufsässiger Bauern geschlagen, nicht aber die mächtigste Nation im ganzen Weltenrund. Aber dennoch war es wohl kaum an ihm zu beurteilen, wer einen solchen Triumph verdient hatte und wer nicht, oder?
    Und daher spornte Jezal sein Pferd an und ritt zwischen den Reihen lächelnder Gesichter und winkender Arme hindurch, und die Luft war durchdrungen vor Beifall und Unterstützung. Er sah, dass die großen Männer des Geschlossenen Rates auf der ersten Reihe der Bänke Platz genommen hatten. Er erkannte Erzlektor Sult in leuchtendem Weiß und Kronrichter Marovia in gemessenem Schwarz. Sein früherer Fechtlehrer, Lord Marschall Varuz, saß dort neben Lord Schatzmeister Hoff. Alle applaudierten, die meisten jedoch auf leicht geringschätzige Weise, die Jezal ziemlich unangemessen fand. In der Mitte, gut gestützt auf einem goldenen Sessel, saß der König höchstpersönlich.
    Jezal, der sich jetzt voll und ganz auf die Rolle als ruhmreicher Kriegsheld eingestellt hatte, zog hart am Zügel, um sein Ross steigen zu lassen, so dass es mit den vorderen Hufen theatralisch durch die Luft schlug. Er sprang aus dem Sattel, schritt auf das königliche Podest zu und ließ sich elegant auf ein Knie sinken, den Kopf gebeugt und umbrandet vom Beifall der Menge, um den Dank des Königs zu erwarten. War es vermessen, auf eine weitere Beförderung zu hoffen? Es erschien ihm plötzlich schwer vorstellbar, dass er vor noch gar nicht allzu langer Zeit ein ruhiges Leben abseits aller Aufmerksamkeit in Erwägung gezogen hatte.
    »Euer Majestät ...«, hörte er Hoff sagen und schielte unter seinen Brauen nach oben. Der König schlief, seine Augen waren fest geschlossen, und der Mund stand offen. Es war zwar eigentlich keine große Überraschung, denn es war schließlich bekannt, dass der Mann seine besten Jahre schon lange hinter sich hatte, aber Jezal konnte trotzdem nicht umhin, eine gewisse Bitterkeit zu empfinden. Es war schließlich schon das zweite Mal, dass der König einen von Jezals Triumphen verschlafen hatte. Hoff stieß den Herrscher so unauffällig wie möglich mit dem Ellenbogen an, aber als er dennoch nicht erwachte, blieb dem Schatzmeister nichts anderes übrig, als sich zu ihm herabzubeugen und ihm ins Ohr zu flüstern.
    »Euer Majestät ...« Weiter kam er nicht. Der König rutschte zur Seite, der Kopf kippte nach vorn, und ganz plötzlich fiel er von seinem vergoldeten Sessel und lag ausgestreckt auf dem Rücken vor den Mitgliedern des Geschlossenen Rates, wie ein gestrandeter Wal. Seine Robe klaffte auf und enthüllte einen großen nassen Fleck auf seinen Hosen, und dann fiel ihm die Krone vom Kopf, prallte einmal auf und schlitterte klappernd über die Steinplatten.
    Ein kollektives Aufstöhnen ging durch die Menge, unterbrochen vom Schrei einer Dame, die weiter hinten stand. Jezal starrte mit offenem Mund den Lord Schatzmeister an, der auf die Knie fiel und sich über den gefällten König beugte. Ein kurzes Schweigen folgte, und für einen Augenblick hielt jeder auf dem Marschallsplatz den Atem an. Dann stand Hoff langsam wieder auf. Jegliche Röte war aus seinem Gesicht gewichen.
    »Der König ist tot!«, heulte er, und seine gequälten Worte hallten von den Türmen und Gebäuden rund um den Platz wider. Jezal verzog das Gesicht. Das war mal wieder typisch. Jetzt würde ihn niemand mehr bejubeln.

ZU VIELE MESSER
    Logen saß auf einem Stein, zwanzig Schritt von dem Pfad entfernt, den Crummock sie hinaufführte. Crummock-i-Phail kannte alle Pfade und alle Wege im Norden. So lautete das Gerücht, und Logen hoffte, dass es stimmte; er hatte keine Lust, direkt in

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