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Können diese Augen lügen?

Können diese Augen lügen?

Titel: Können diese Augen lügen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Larkin
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gehörten zu dem ›Keine Füße auf dem Tisch, keine Hunde im Wohnzimmer ‹ -Typ.
    » Soll ich einen anderen Makler anrufen?«, fragte Agnes, als wir nach dem letzten Haus auf ihrer Liste in ihr Auto stiegen. » Ich kann für morgen etwas vereinbaren.«
    » Weißt du was? Ich kenne da noch ein Haus, das ich mir vorher noch einmal ansehen möchte.« Ich versuchte, offiziell zu klingen. Hoffentlich wollte Louis es überhaupt noch an mich verkaufen. Es war kein schönes Haus, aber ich konnte es mir leisten, und ich fühlte mich darin heimisch, obwohl ich fürchtete, dieses Gefühl könnte eher von Louis und Alex als von dem Haus selbst ausgelöst worden sein.
    » Ruf mich an, wenn ich mitkommen soll. Vier Augen sehen mehr als zwei«, erbot sie sich.
    » Mache ich.«
    » Sieht aus, als wäre Santa Claus bei dir ein bisschen zu früh erschienen«, stellte sie fest, als sie in die Auffahrt einbog.
    Ein wie ein Regenschirm zusammengebundener Weihnachtsbaum lehnte neben zwei großen braunen Kartons neben meiner Haustür. Einen Moment lang dachte ich an ein aufwendiges Geschenk von Alex, und mein Herz beschrieb einen kleinen Satz. Dann fiel mir wieder ein, wo die Sachen herkamen. » Das ist nur meine Bestellung von L. L. Bean«, sagte ich.
    » Hmm«, machte Agnes. » Ich dachte, es wäre von Alex.«
    » Rate mal, wer noch.«
    Agnes hupte dreimal, als sie losfuhr. Joe presste die Nase gegen das Wohnzimmerfenster. Als ich die Tür öffnete, schoss er ins Freie, drehte auf dem Hof ein paar Kreise, pinkelte dann auf Gails und Mitchs Seite des Hofes, ehe ich ihn daran hindern konnte, kam zu mir zurück und wedelte mit dem Schwanz, als habe er etwas getan, worauf er stolz sein konnte. Er schnupperte an dem Baum. Er schien ihn für einen Stock zu halten, denn er biss in den Stamm und versuchte ihn anzuheben, aber er war zu schwer. Ich packte ihn in der Mitte und begann, ihn ins Haus zu schleifen.
    Ich legte ihn in die Mitte des Wohnzimmers, wobei ich überall Nadeln verstreute, und ging die Kartons holen. Dann setzte ich mich auf den Boden und packte alles aus: den Ständer, die Glaskugeln, die Aluminiumzapfen, die weißen Blinklichterketten, das Stirnband mit dem Rentiergeweih für Joe, das Hemd für Alex und die rote Wolldecke. Ich wickelte mich in die Decke und streifte Joe das Stirnband über. Alex’ Hemd verstaute ich im Garderobenschrank, um es nicht ansehen zu müssen. Joe raste wie betrunken herum, schüttelte den Kopf und versuchte, das Geweih abzustreifen.
    Ich widerstand dem Drang, Agnes’ Bourbonflasche zu öffnen, und setzte stattdessen Teewasser auf. Danach rannte ich zu meinem Auto, holte die Chipmunk-Weihnachts- CD , die Mom mir einmal zum Scherz gekauft hatte, legte sie in die Stereoanlage ein und sang lauthals mit. Joe nagte an dem Geweih, während ich den Baum aufstellte.
    Ich vermisste unseren alten Baumschmuck– die mit Glitzerstaub besprühten Tannenzapfen und die Schlümpfe, die wir mit den an ihren weißen Mützen befestigten Silberschnüren an die Zweige hängten. Sie befanden sich wohl immer noch in dem grünen Karton im Abstellraum des Kutschhauses.
    Diane ließ immer einen Dekorateur kommen, um den Baum im Haupthaus mit silbernen Bändern und farblich aufeinander abgestimmtem Limoges-Schmuck zu ›stylen ‹ , aber mir gefiel unser Baum besser. Jedes Jahr vergrößerten Mom und ich unsere Schmucksammlung, dann saßen wir mit heißem Kakao und Töpfen mit Leim und Farbe an unserer Küchentheke und bastelten. Einmal fertigten wir eine überlange Kette aus Papierstreifen an, die wir aus Zeitungen und Zeitschriften herausgerissenen hatten, ein andermal füllten wir schlichte Glaskugeln mit Erinnerungsstücken an das Jahr: Kinoeintrittskarten, die geschredderte letzte Ratenquittung für das Auto meiner Mutter, eine kaputte Halskette, blaue und grüne Kiesel vom Boden unseres Aquariums nebst einem winzigen Plastikfisch. Wir blieben die ganze Nacht auf, aßen Süßigkeiten und veranstalteten in der Küche ein Chaos, während im Hintergrund Weihnachtsfilme liefen. Das Kutschhaus duftete nach Tannennadeln und Zimt. Janie wurde dazu nie eingeladen. Sie war ohnehin immer mit ihren Eltern auf Besuchstour, also blieben nur Mom und ich. Unsere Familie.
    Im letzten Jahr verbarg sie bereits sorgsam alle Anzeichen für ihre schwere Krankheit vor mir. Wir bastelten Origamipinguine. Ohne Leim, ohne Unordnung zu verursachen. Nach weniger als einer Stunde küsste sie mich auf die Wange und sagte: » So, Kleines, ich

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