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Können diese Augen lügen?

Können diese Augen lügen?

Titel: Können diese Augen lügen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Larkin
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Mehr stand nicht darauf– weder der Name einer Versicherungsgesellschaft noch der der Driscolls.
    Ich wollte den Umschlag gerade in der Hand zerknüllen, als ich merkte, dass er noch etwas enthielt: einen wie eine Ziehharmonika gefalteten Papierstreifen. Es waren Automatenfotos von mir mit dreizehn. Ich trug eine mittels Lockenstab und Wolken von Haarspray aufgebauschte Ponyfrisur und eine Zahnspange, die ich zu verbergen versuchte. Auf den ersten beiden Fotos bemühte ich mich, reif und sexy zu wirken, das dritte war verwackelt, weil ich den Kopf dem Vorhang zugewandt hatte. Auf dem vierten stand mein Mund weit offen, die Zahnspange glitzerte im Blitzlicht, und die Augen hatte ich zusammengekniffen, weil ich von einem hysterischen Lachanfall geschüttelt wurde.
    » Wag es nicht, den Kopf hier hereinzustecken, junge Dame«, hatte Diane mich damals gewarnt.
    Das war während eines unserer ersten Einkaufsbummel gewesen. Diane hatte bislang noch nie einen Fotoautomaten betreten, und auf dem Weg zur Damentoilette stand einer.
    Zuvor hatte sie genörgelt, dass ich unbedingt ein großes Erdbeersmoothie hatte trinken müssen und dann darauf bestand, die Toilette aufzusuchen, weil ich befürchtet hatte, mir sonst mitten im Kaufhaus in die Hose zu machen. Deshalb waren wir zu spät zu ihrem Termin bei ihrem persönlichen Einkaufsberater bei Neiman Marcus gekommen.
    » Van, ich habe dir gesagt, ein kleines ist genug«, schimpfte sie in der Kabine neben der meinen, in der ich sie ebenfalls lange und ausgiebig pinkeln hören konnte. » Wir haben nicht viel Zeit, und ich brauche dringend ein Kleid für die Neuberger-Gala an diesem Wochenende«, nörgelte sie weiter, als wüsste ich nicht selbst, weshalb wir hier waren und dass wir zu Hause sein mussten, bevor meine Mom unsere Abwesenheit bemerkte.
    Als wir uns die Hände wuschen, schüttelte sie den Kopf. » Du bist wie deine Mutter. Trinken und pinkeln. Trinken und pinkeln.« Seufzend riss sie Papier aus dem Spender.
    Und ich fühlte mich schrecklich; als hätte ich etwas verdorben, das noch gar nicht begonnen hatte. Ich hatte sie verärgert. Ich war ein Baby mit schwacher Blase, das unaufhaltsam auf die Inkontinenz zusteuerte. Vielleicht würde sie mich nie wieder mitnehmen.
    Aber als wir zurückgingen, blieb sie schließlich vor dem Passfotoautomaten stehen und strich mit der Hand über den Vorhang.
    » Als Kind wollte ich immer mal solche Fotos machen lassen«, sagte sie.
    » Hast du das noch nie gemacht?«, fragte ich. Es gefiel mir, dass ich ihr in diesem Punkt überlegen war, denn ich hatte bereits Erfahrung auf diesem Gebiet.
    Ich fischte einen zerknüllten Dollarschein aus der Tasche, hielt beide Enden fest und zog ihn über eine Ecke des Automaten, um ihn zu glätten.
    » Geh rein.« Ich schob den Schein in den Schlitz. » Nutz deine Chance.«
    Sie sah aus, als wolle sie sich weigern. Der Auslöser klickte zum ersten Mal. Ich packte ihre Handtasche und versetzte ihr einen leichten Stoß.
    Das erste Foto auf Dianes Streifen zeigte nur den Vorhang. Das zweite war verwackelt, ihr Haar fiel ihr ins Gesicht, als sie auf dem Hocker Platz nahm. Auf dem dritten versuchte sie ihr Haar zu glätten, aber auf dem vierten lächelte sie und verdrehte die Augen. Ich liebte dieses Bild von ihr, und ich liebte es, dass ich die Einzige war, die wusste, dass es existierte.
    Nach ihr war ich in die Kabine gegangen, und dann hatten wir unsere Streifen getauscht. Sie hatte mir ein großes Indianerehrenwort abgenommen, die Bilder niemandem zu zeigen. Ich hatte das Gefühl, dass auch das eine Premiere für sie war.
    Ich konnte kaum glauben, dass sie meinen Fotostreifen die ganze Zeit aufbewahrt hatte, vielleicht zusammengefaltet in ihrer Handtasche, so wie ich es mit ihrem getan hatte.
    Ich zog den Streifen auseinander, um sämtliche Fotos nacheinander zu betrachten.
    Meine Knie zitterten. Ich glitt rücklings an der Theke hinunter auf den Boden. Sie hatte einst bezahlt, um uns zu halten, als Mom Lehrerin werden wollte. Sie hatte uns bezahlt, damit wir blieben, und jetzt bezahlte sie mich, damit ich ging. Dieser Scheck war ›Hände weg vom Mann meiner Tochter ‹ -Geld. Es war ›Fang ein neues Leben an und vergiss Peter ‹ -Geld. Es war ›Ich bin fertig mit dir ‹ -Geld. Sie wollte noch nicht einmal meine Fotos behalten.
    Ich nahm den Scheck in die Hand. Er war so dünn wie Zwiebelhaut. Ich schloss die Augen und malte mir aus, wie ich ihn zerriss und in den Mülleimer warf, aber ich tat

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