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Können diese Augen lügen?

Können diese Augen lügen?

Titel: Können diese Augen lügen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Larkin
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mich auf dem Stuhl nieder, schob meine Tasche darunter und schlug die Beine übereinander.
    Gerade als ich dachte, die Fassung zurückgewonnen zu haben, und es wagte, den Kopf zu heben, fing ich einen finsteren Blick von Dr. Guttle auf.
    » Sieh an, sieh an. Sie verstehen es ja wirklich, sich einen großen Auftritt zu verschaffen.« Er zog seine Brille ein Stück von seiner Knollennase herunter und hob die Brauen, als erneut Gekicher ertönte. » Miss…«
    » Leone«, erwiderte ich, froh, keine Zeit mehr für ein Frühstück gehabt zu haben, weil ich es jetzt sicher wieder von mir gegeben hätte.
    » Miss Leone.« Dr. Guttle schob die Brille wieder hoch und gab ein Geräusch von sich, das wie »ts, ts, ts « klang, als er die Papiere auf seinem Pult durchblätterte. Als er die Seite gefunden hatte, die er suchte, kritzelte er etwas darauf und sah mich dann wieder an. » Miss Leone, ich hoffe, Sie sorgen dafür, dass ich meinen ersten Eindruck von Ihnen revidieren muss.«
    Der Typ mit den grässlichen Schuhen setzte sich neben mich und reichte mir meine Bücher. » Mach dir nichts aus dem, was der Alte sagt«, flüsterte er. Sein Atem war warm und roch nach Zimt. » Er soll ein richtiges Ekelpaket sein.«
    Er machte es sich auf seinem Stuhl bequem und stützte den Arm auf die Lehne. Unsere Arme berührten sich. Da wusste ich, ohne seinen Namen zu kennen, dass ich mich bis über beide Ohren verliebt hatte.
    Nach der Vorlesung lud er mich zum Kaffee ein. Ich erinnere mich an jeden Augenblick dieses Tages, weil er mir als der perfekteste erschien, den ich je erlebt hatte. Er bezahlte wie ein Erwachsener, zog sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche und schnippte dem Mann hinter der Theke mit Zeige- und Mittelfinger einen Zehner hin, statt zerknüllte Scheine aus der vorderen Tasche zu kramen, wie ich es noch heute tue. Ich bot nicht an, für mich selbst zu zahlen; ich wusste, dass mich das wie eine Anfängerin in diesem Spiel wirken lassen würde, aber ich war leider trotzdem die ganze Zeit lang rot wie eine Rübe.
    Ich schlug vor, am Kanal entlang an der Kapelle vorbeizugehen, weil ich nicht glaubte, es durchzustehen, ihm noch länger verschwitzt und mit roten Flecken im Gesicht gegenüberzusitzen. Es war ein typischer Indian-Summer-Tag, viel zu warm für meinen schwarzen Rollkragenpullover. Aber dort konnte er wenigstens die Blätter, den Kanal und die Wolken betrachten und übersah so vielleicht mein fleckiges Gesicht und meine an der Stirn klebenden schweißfeuchten Haare.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er schwieg ebenfalls, und ich kam mir vor, als wäre er enttäuscht von mir– ich hatte mir meinen Kaffee nicht verdient.
    Die Blätter rieselten von den Bäumen, und die Wolken rissen einen Moment auf, ehe sie wieder eine geschlossene Decke in Rochestergrau bildeten, an das ich damals noch nicht gewöhnt war. » Rochester hat mehr Regentage als Seattle«, hatte meine Mom zu mir gesagt, als sie versucht hatte, mir das Sarah-Lawrence-College schmackhaft zu machen.
    » Wir waren noch nie in Seattle«, erinnerte ich sie, dabei schwenkte ich meinen Joghurtlöffel durch die Luft und hinterließ rosafarbene Spritzer auf meinem Platzdeckchen. » Also kannst du keine korrekten Vergleiche ziehen.«
    » Wir schauen uns Frazier an.« Sie streckte mir die Zunge heraus und gab mir mit der Sarah-Lawrence-Broschüre einen Klaps auf den Arm. » Wisch das weg, ehe es antrocknet, oder bildest du dir ein, du hättest ein persönliches Hausmädchen?« Sie lachte laut über ihren eigenen Scherz.
    Ich überlegte, Peter zu gestehen, wie sehr ich unter Heimweh litt, unterließ es dann aber, weil ich es für zu persönlich hielt; vielleicht würde er sich bedrängt fühlen. Dann erwog ich, ihn zu fragen, ob in der nächsten Zeit hier irgendwelche guten Partys anstanden, aber er schien mir nicht der Typ zu sein, der Bierfeten besuchte.
    » Rochester hat mehr Regentage als Seattle«, murmelte ich schließlich, auf ein sicheres Thema ausweichend.
    » Was du nicht sagst.« Peter feixte. Selbst sein Feixen wirkte anziehend, weil sich dabei in seiner rechten Wange ein Grübchen bildete.
    » Was?«
    » Nun, ich bin aus Mendon. Das liegt fünfzehn Minuten von hier.« Er deutete nach rechts, als befände es sich direkt auf der anderen Kanalseite.
    » Wohnst du zu Hause?«
    » Nein.« Er lachte, es klang warm und unbekümmert. » Mein Vater wollte, dass ich das Collegeleben von allen Seiten kennenlerne, aber meine Mutter bezweifelt,

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