Köpfe für Carlita
helfen können, schließlich war er kein Historiker.
Auf der anderen Seite war ich froh, daß wir als Polizisten auch hier in Spanien einen unkonventionellen Weg beschritten. Weg von den normalen Ermittlungen, etwas Kreativität in die Aufklärung hineinbringen, auch wenn nicht sicher war, daß wir uns auf der richtigen Spur befanden.
Es wurde Zeit, daß sich der Kollege meldete, er hatte noch mit seiner Dienststelle sprechen wollen. Unten in der kleinen Halle wollten wir uns treffen. Ich verließ mein Zimmer, nahm die Treppe, die ziemlich düster war, und hatte den Eingangsbereich kaum erreicht, als ich den dunkelblauen Seat sah, der vor dem Haus stoppte.
Es war Sahnas’ Dienstwagen. Der Kommissar stieg schnell aus. Er brauchte nicht erst durch die Drehtür zu gehen, ich war schon bei ihm.
»Alles klar?« fragte er mich und lächelte.
»Ja, bei Ihnen auch?«
Er nickte. »Ich habe mit einem Kollegen gesprochen. Sie beschäftigen sich bereits mit der Leiche, die noch nicht so lange im Wasser gelegen hat. Eines haben sie in der Kürze der Zeit schon herausfinden können: Der Mann wurde nicht mit einem Schwert geköpft.«
»Dann bleibt das Beil«, sagte ich und dachte wieder an das schaurige Bild.
»Sehr richtig.«
»Ist der Tote mittlerweile identifiziert worden?«
Sahnas nickte. Er bot mir ein Pfefferminz an, das ich auch nahm, steckte sich selbst eines in den Mund und sagte: »Er heißt Juan Perez.«
Ich hob nur die Schultern. »Der Name sagt mir nichts. Ihnen denn?«
»Nein, aber ein Durchschnittsbürger wird er nicht gewesen sein.«
»Wieso das?«
»Bisher zählten alle Opfer zu den Typen, die mit der gesellschaftlichen Mittelschicht nicht viel zu tun haben. Das waren die Schaumacher, reiche Nichtstuer, die man auf den Parties der ›Beautiful People‹ findet.«
»Warum nur sie?«
»Das frage ich mich auch. Vielleicht verfolgt der Täter oder die Täterin diese Personengruppe mit irgendwelchen Rachegefühlen. Wer kann das schon wissen?«
Ich stimmte ihm zu. Über das Motiv war nach wie vor der Mantel der Dunkelheit gebettet. Ich konnte nur hoffen, daß wir ihn lüften würden.
»Fahren wir?« fragte Sahnas und schloß die Wagentür auf.
»Gern.« Ich stieg ein, schnallte mich an und sagte: »Auf diese Person bin ich wirklich gespannt.«
»Das dürfen Sie auch, John. Und Sie werden mehr als erstaunt über die frappierende Ähnlichkeit sein.«
»Eine Frage noch, Antonio: Ist Carlita Moreno für Sie die siebenfache Köpferin?«
Sahnas hob die Schultern. »Nichts weiß man, John, gar nichts…«
***
Die Treppe lag bis auf zwei Stufen hinter ihr, und wieder umgab Carlita die kühle und nach Verwesung riechende Luft, durch die das Spiel aus Fackellicht und Schatten tanzte, als wären Riesenvögel dabei, durch die Enge des Ganges zu fliegen.
Ein vorsichtiger Mensch wäre freiwillig nicht in dieses Gewölbe hineingegangen, aber Carlita war nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Sie fühlte sich wohl mit ihren toten Beweisstücken, die sie auf einen Altar gestellt hatte, um sie derjenigen Person zu opfern, der sie nacheiferte.
Die Nische war etwa einen Meter tief in die Wand hineingehauen worden. Eine Rückseite aus ebenfalls dunklem Gestein, allerdings mit helleren Einschlüssen versehen, die manchmal fingerdick durch den schimmernden Fels liefen.
Carlita schaute über die Köpfe hinweg. Sie hatte sich auf eine Fußbank gestellt, um einen besseren Sichtwinkel zu haben. So konnte sie über die unterschiedlichen Köpfe hinweg bis zur Wand blicken, auf der sich nur das wellige und glatte Gestein mit den helleren Einschlüssen darin abmalte.
Carlita konzentrierte sich auf die Wand. Sie hielt die Augen halb geschlossen, stand auf der Fußbank völlig bewegungslos, legte die Arme gekreuzt vor ihre Brust und drapierte ihre Hände auf beide Schultern. So hatte sie die Haltung einer betenden Priesterin angenommen, denn so ähnlich fühlte sie sich auch: als eine Priesterin des Bösen.
Ihr Blick war kalt, obwohl er so verhangen wirkte. Sie starrte auf die Nischenwand, die für sie so etwas wie die Rückseite eines Altars war, der mit schaurigen Einzelheiten geschmückt war. Die mehr oder weniger verwesten Köpfe bewegten sich nicht, obwohl es manchmal so aussah, wenn das Licht der Fackel darüber hinwegglitt und kurz die leeren Augenhöhlen füllte.
Carlita wartete.
Sieben Köpfe hatte sie bereits als Opfergabe hingelegt. Noch ein Kopf fehlte, um die ›Größe‹ der Ahnherrin zu erreichen. Sie
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