Köpfe für Carlita
und ich mußte dieser Person hinter mir völlig recht geben.
Gilles St. Clair!
Er war mein Ahnherr gewesen. Ein Wanderer in einer mörderischen Zeit.
Ein Mensch, dem ich nicht unbedingt positiv gegenüberstand, der sich in mein und das Schicksal meiner Eltern eingemischt hatte. Er hatte einer Gruppe angehört, die gegen die offizielle Kirche war, die sich die Katharer, die Befreier, nannte, aber zu einer Befreiung war es nicht gekommen, denn letztendlich hatte er sich kaum von denen unterschieden, die er bekämpfte.
»Warum sagst du nichts?« flüsterte Carlita.
Ich mußte tatsächlich schlucken und tief Luft holen, um die Worte für eine Antwort zu finden. »Das hat mich wirklich überrascht«, flüsterte ich.
»Damit hätte ich nie und nimmer gerechnet. Deine Erklärung hat mich wie ein Tief schlag erwischt.«
»Aber du weißt, wen ich meine?«
»Ja, ich kenne ihn. Ich habe von ihm gehört und…« Ich fügte nichts mehr hinzu, denn ich wollte den Fall nicht noch einmal aufwühlen, der mir verdammt an die Nieren gegangen war.
»Ihn hat es gegeben. Er gehörte zu den Feinden meiner Ahnherrin. Er hat dafür gesorgt, daß man sie tötete.«
»Wie genau?«
»Er malte sie. Er tat so, als hätte er sie geliebt, aber er kann sie nicht geliebt haben.« Ihre Stimme nahm an Schärfe zu. »Nein, das ist keine Liebe gewesen.«
»Hat er sie denn getötet?« wollte ich wissen.
»Nicht er selbst. Indirekt brachte er sie um, denn er trieb sie in die Fänge ihrer Feinde. Nur durch ihn konnte Carlita damals gestellt werden, und es hing auch mit dem Bild zusammen, das er malte. Es brachte die Feinde auf Carlitas Spur, und so dauerte es nicht lange, bis sie von ihnen gestellt werden konnte und gegen die Übermacht nicht die Spur einer Chance bekam.«
»Wie kam sie um?«
»Man erschlug sie. Man steinigte sie. Man drängte sie in eine Falle. Die Übermacht war einfach zu stark, denn wehren konnte sich Carlita nicht.«
»Aber man köpfte sie nicht – oder?«
»Nein. Das tat sie mit ihren Feinden. Aber tot ist tot, daran gibt es nichts zu rütteln.«
Da hatte sie so verdammt recht, denn letztendlich war es egal, wie man vom Leben in den Tod befördert wurde. Am besten war es, wenn man keine Qualen erlebte. Da war das Enthaupten oder Köpfen ein klein wenig humaner als das Steinigen. »Ist sie wirklich tot?« fragte ich mit einem gewissen Unterton in der Stimme, der Carlita einfach stutzig machen mußte.
Sie kicherte. »Du glaubst es nicht?«
»Ich bin skeptisch.«
»Aber dein Ahnherr lebt, wie?«
»Nein, er ist tot.«
»Genau das wollte ich wissen«, sagte sie und lachte wieder auf. »Genau das.«
»Warum?«
»Es ist der Grund für deinen Tod, Sinclair. Dein Ahnherr ist nicht mehr greifbar, im Gegensatz zu meiner Ahnherrin, denn sie hat sich letztendlich als stärker erwiesen. Da ich mich an deinem Ahnherrn Gilles St. Clair nicht mehr rächen kann, muß ich mich an dich halten, so einfach ist es im Prinzip. Du bist derjenige, um den es hier geht, du hast praktisch die Stelle des Gilles St. Clair eingenommen.«
»Und du die der Carlita de los Arrancha?«
»So ist es.« Sie hatte Spaß, das hörte ich ihrer Stimme an. »Wir werden nur das wiederholen, was in früheren Zeiten begann. Damals standen sich ein Sinclair und eine Carlita schon einmal gegenüber. Niemand hat es geschafft, den anderen zu vernichten. Es kann auch sein, daß es keiner wollte, aber die Falle hat Gilles St. Clair meiner Ahnherrin gestellt. Sie ist ihm wohl zu mächtig gewesen.«
»Hat sie denn überlebt?« fragte ich keuchend. »Kann man das denn?«
Ich lachte, obwohl mir wirklich nicht danach zumute war. »Es kann durchaus sein, daß sie überlebt hat, denn es gibt gewisse Möglichkeiten, die am Tod eines Menschen vorbeiführen.«
»Ja, das glaube ich dir, denn ich habe zuvor Erkundigungen über dich eingezogen. Sahnas hat mir einiges erzählt, denn er wußte besser, wer du bist.«
»Ja, ich habe mit gewissen Dingen zu tun, die auch übergreifend sind. Aber ich kann dir versprechen, daß es meinen Ahnherrn Gilles St. Clair nicht mehr gibt.«
»Das stimmt.«
»Und deine Carlita hat überlebt?«
»Auf ihre Weise.«
»Nicht körperlich?«
»Nein, das nicht, aber wir werden zusammenkommen, das kann ich dir versprechen. Ich werde sie kennenlernen, und damit wird sich der Kreis schließen. Die Vergangenheit wird eintauchen in die Gegenwart. Es mußten erst Jahrhunderte vergehen, bis es soweit gekommen ist. Nun gibt es kein Halten
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