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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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wenigstens in die leeren Augenhöhlen sehen, während er mich ummähte!
    Aber da war nichts! Vermutlich war er schon wieder anderweitig beschäftigt und mähte auf irgendeinem Schlachtfeld ganze Heerscharen nieder. Bestimmt ein guter Workout für ihn! So ein Tod musste ja schließlich bei Kräften bleiben, sonst fiel er noch von den Knochen! Sicherlich kein einfacher Job: Ohne Urlaub, bei Tag und bei Nacht, Regen und Schnee ständig unterwegs, um Seelen zu ernten. Und das ein Leben lang. Oder lebte der Tod gar nicht? Vielleicht war der Tod ja besser als sein Ruf! Man kannte den ganzen Zirkus drum herum ja nur vom Hörensagen! Keinerlei Insiderinfos aus dem Jenseits aus erster, knochiger Hand!
    Innerlich schüttelte ich den Kopf. In was für eine abstruse Gedankenwelt war ich da wieder abgetaucht? Statt den Tod wegen seiner Arbeitsbedingungen zu bemitleiden, sollte ich mich lieber auf Fragen konzentrieren, die hier im Diesseits eine Rolle spielten. Wenn dieses tolle grüne Serum von Professor Marquez Nr. 6 tatsächlich in die Obhut des schwarzen Mannes geschickt hatte, was war dann dran an »Rot stehen, Grün gehen«, wie es der Projektleiter Kellermann ausgedrückt hatte? Nach »Gehen« sah das gerade nicht aus, wenn man nicht gerade an Von-uns-Gehen dachte.
    Immerhin mit den Füßen voran, das hört sich doch positiv an. Dann folgt man wenigstens seinen Füßen, die die Richtung angeben! Aber besonders beruhigend fand ich diesen Gedanken dennoch nicht. Wenn ich den Vergleich anstellte, was sie für einen riesengroßen Kolben von dem Roten Serum in mich hineingepumpt hatten, zu dem was man Nr. 6 von dem Grünen Serum verabreicht hatte, dann … ja dann schien das Aktivierungsserum deutlich stärker in der Wirkung zu sein.
    »Szo dass war’sz, spätestensz morgen dürfte er die Augen aufmachen«, hatte Professor Marquez gesagt. Und wie er die Augen aufgemacht hatte. Sie waren ihm förmlich aus den Höhlen gequollen! Ich nahm an, er hatte sie inzwischen geschlossen und lag gut gekühlt im Vorzimmer zur Hölle. Was für ein Serum! Augen öffnend und absolut umwerfend!
    Ein altes Leiden kam mal wieder zum Vorschein. Meine hartnäckige Wissenschaftsparanoia platzte wie eine eitrige Geschwulst auf. Sie vergiftete mein Denken und löste eine intellektuelle Sepsis aus: Irgendwie schon komisch: Zwei vermutlich tot und ich habe diese ständigen Rückenschmerzen. Was wenn dieses Serum mehr als nur die Verbindung der Neurosynapsen getrennt hatte? Oder wenn die Trennung entgegen aller Beteuerungen nicht mehr reversibel war?
    Ich beschloss zu meiner eigenen Vorsorge ein weiteres Projekt in meinem Tagesprogramm zu integrieren: Das Konzentrieren auf die Bewegung eines Fingers und falls es funktionieren sollte, das Bewegen der ganzen Hand, des Armes und so weiter … Ich hatte das mal in einem Film gesehen. Eine Frau, die einen Kopfschuss überlebt hatte, und aus dem Koma aufgewacht war, schaffte es durch monatelange Willensanstrengung zuerst die Zehen, dann die Finger, Hände, Füße und am Schluss den ganzen Körper zu bewegen und mit Leben zu durchfluten. Ich verinnerlichte mir dieses Bild und beschloss jeden Tag eine Stunde meiner freien Zeit für diese Übung zu opfern. Schließlich wollte ich weder wie Nr. 7, noch wie Nr. 6 enden. Zumindest nicht so früh in meinem Leben!
    Vor meinem geistigen Auge sah ich immer wieder, wie Nr. 6 krampfte, sich aufbäumte und keine Luft mehr bekam. Also wenn das zum Transformationsprozess standardmäßig dazugehören sollte, dann wollte ich zumindest vorbereitet sein und nicht an meiner wieder gewonnenen Bewegungsfähigkeit ersticken! Ich musste nur vorsichtig sein … Angenommen ich würde es tatsächlich schaffen, mich zu bewegen, dann dürfte davon niemand etwas erfahren, kein Pfleger, kein Arzt und auch nicht meine Zellengenossen. Denn Professor Marquez würde sicherlich keine Sekunde zögern, mir die nächste rote Injektion zu geben, weil die Dosierung beim ersten Mal aus seiner Sicht nicht ausreichend gewesen wäre …
    Aber die Hoffnung, mich vielleicht schon in ein paar Monaten so weit bewegen zu können, mich heimlich zu kratzen, gab mir Auftrieb. Vielleicht bekäme ich dann auch endlich meinen schmerzenden Rücken in den Griff.

Atmen
    Die folgende Woche startete mit dem üblichen Programm: John Mc Lay mit seinem Fitnessprogramm, Religion, Ethik, Allgemeinbildung und so weiter und so fort. Um weitere Fluchtwege vor Mosquito und seinen sehr eigenwilligen Unterhaltungsprogrammen zu

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