Koestlbachers erster Fall
stärker ansteigen lassen, als er das wahrhaben
wollte. Und weil die Monika und die Rosi quasi dienstlich unantastbar, die
Klein ein adäquater Ersatz. Allerdings nur, solange die Anna nicht auf dem
Plan.
Es war zum Kotzen: Die
Ermittlungen kamen nicht so recht voran, zu Hause wurde nur rumgemosert, weil
die Kinder sich nicht in ihre neuen Schulen integrieren wollten, obwohl
anfangs alles so gut ausgesehen hatte, und weil er nicht die nötige Zeit
aufbrachte, seine Vaterrolle zu spielen. Seit einigen Tagen musste er sich auch
noch täglich Vorwürfe seiner Anna anhören, die sich vernachlässigt fühlte. In
Straubing hatte sie ihren Freundeskreis, aber der fehlte hier in
Regensburg noch. Und er war ja so gut wie nie zu Hause!
Und seit der Köstlbacher sich
familiär so unter Druck fühlte, seitdem sah er auch die Klein mit anderen
Augen. Es hängt im Leben einfach immer das eine mit dem anderen zusammen, auch
wenn du oft denkst, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Auf dem Weg zurück zu seiner
Pinnwand aber hatte der Köstlbacher dann einen Entschluss gefasst. Er würde es
riskieren, die meisten weiteren Ermittlungen seiner SOKO zu
überlassen und selbst nach dem Psychopathenphantom quasi im Geheimen fahnden.
Weil, was die bisherige Arbeit der
›September-SOKO‹ betrifft, sei einmal ehrlich, was ist denn groß dabei
herausgekommen, außer dieser chaotischen Pinnwand, die nur so nach Ordnung
ausgesehen hat, weil die Klein alles immer so perfekt ausgedruckt, laminiert
und so. Und der Dr. Huber, der ja irgendwie Null Ahnung. Der Aufstellung
vor so einer Pinnwand und gleich totaler Respekt. Allerdings inzwischen
nicht mehr sehr geduldiger Respekt. Ergebnisse müssen her!
Also, eine Person herausgepickt
und profilermäßig überprüfen! In gewisser Weise Lotteriespiel. Aber wenn’s
klappt, Volltreffer!
»Sie haben den Albert Stiegler
vergessen! Auf mich wirkte der wie ein
›Psychopath‹ , als Sie ihn zu dem Mord im ›Ratisbona‹ vernommen haben!«, sagte plötzlich die Klein hinter
ihm.
»Wie sind Sie denn herein
gekommen?«, fragte der Köstlbacher die Klein erschrocken, weil er gar
nicht bemerkt hatte, dass sie in seinem Zimmer stand. Und gleichzeitig war er
elektrisiert, weil ›sein‹ Begriff ›Psychopath‹ von der Klein
laut verbalisiert worden ist.
»Durch die Türe, wie immer!«,
antwortete die Klein mit einem entwaffnenden Lächeln. »Sie waren so in Gedanken
vertieft, dass Sie mich nicht bemerkt haben!«
»Aha! Haben Sie gerade etwas über
den Albert Stiegler gesagt?«, fragte der Köstlbacher.
»Ja! Dass der Albert Stiegler
komisch auf mich gewirkt hat«, antwortete die Klein.
»Das meinte ich nicht! Sie haben
gesagt, er wirkte auf Sie wie ein ...!«
»Psychopath! Ja, genau so!«, sagte
die Klein.
»Und wie wirkt ein Psychopath? Ich
meine, wie muss jemand sein, dass er auf Sie wie ein Psychopath wirkt?«,
fragte der Köstlbacher.
»Sie fragen Sachen!«, sagte die
Klein. »Auf alle Fälle wirkt so einer anders als normal. Vielleicht ein wenig
so, als wäre er durch den Wind!«
»Und weil der Albert Stiegler
wirkte, als wäre er durch den Wind, ist er ein Psychopath?«, lästerte der
Köstlbacher. In Wirklichkeit wollte er die Klein gar nicht dumm anreden, aber
weil die so plötzlich mit einem Psychopathen angefangen hat, wo er doch
auf diese Idee gekommen war, da war er schon etwas platt, um nicht zu sagen ein
wenig verstimmt.
»Entschuldigung! Ich wollte mich
nicht in Ihre Arbeit einmischen!«; sagte die Klein und verlor sichtlich an
Spannung.
Später einmal hat mir der
Köstlbacher bei einer Halbe ›Kneitinger
Pils‹ in der ›Alten Linde‹ verraten, dass ihm die Klein schlagartig leid getan hatte, weil er ihr Unrecht
und so.
Auf alle Fälle hat sich der
Köstlbacher schnell bei der Klein entschuldigt und ihr gesagt, sie solle Kaffee
machen. Zwei Tassen! Eine für ihn und eine für sie selbst. Getrunken haben sie
den Kaffee dann in der Gästeecke in seinem Büro, der Köstlbacher auf dem Sofa
sitzend und die Edith Klein ihm gegenüber in dem Besuchersessel. Von da an hat
der Köstlbacher öfter mit der Edith über seine Profilerermittlungen
geredet, wenn er sicher sein konnte, dass sie nicht gestört würden.
Eines musst du wissen: Der
Köstlbacher trotzdem immer korrekt, auch wenn sich sein Blick immer wieder
einmal an den Rundungen der Edith labte und seine Fantasie ihm einen ganz
anderen Film abspielte, als den, von dem die Edith gerade am Erzählen
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