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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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aussah, als ob er gerade zufällig des Weges kam. Die beiden redeten kein Wort miteinander, kaum, dass sie einander kurz ansahen.
    Christopher fasste sich an die Stirn. Sie fühlte sich immer noch heiß an, und ihm war auch gar nicht gut.
    Wahrscheinlich war das nur ein Fiebertraum.
    An einem der nächsten Tage rief Mutter abends an, fragte nach Dad, doch der war noch nicht da.
    »Hmm«, machte sie. Sie klang beunruhigt. »Wir hatten ausgemacht, dass ich um diese Zeit anrufe.«
    »Er ist bestimmt noch in der Firma«, meinte Christopher. »Vielleicht ist etwas dazwischengekommen.«
    »Ja. Gut, dann probier ich’s auf seinem Mobiltelefon. Wie geht’s dir?«
    »Ich bin okay«, sagte Christopher, obwohl das nicht ganz stimmte.
    Als Dad nach Hause kam, ziemlich spät, erzählte Christopher ihm, dass Mutter angerufen hatte, und fragte, ob sie ihn auf dem Handy erreicht habe. Dad nickte nur gleichgültig und sagte weiter nichts dazu.
    Das fühlte sich alles äußerst ungut an.
    Am nächsten Tag schleppte sich Christopher nachmittags zum Rechner und hackte sich in einen Computer in Dads Büro. Der Rechner stand in der IT-Abteilung des Krankenhauses und hatte eine Webcam installiert. Dad war da, saß an seiner Maschine, wie immer umgeben von Bergen von Unterlagen, die er kaum eines Blickes würdigte, und arbeitete.
    Christopher drehte den Bildschirm so, dass er ihn vom Bett aus sehen konnte, schlüpfte zurück unter die warme Decke und wartete ab. Mit einem zusätzlichen Kissen im Rücken konnte er Dad bequem zuschauen, seinen Tee und seine Medikamente nehmen und ab und zu ein bisschen dösen.
    Er schreckte hoch, als der Bildschirm plötzlich schwarz wurde. Jemand hatte den Rechner heruntergefahren. Ein Blick auf die Uhr: Die machten schon Feierabend! Er hatte den Moment des Aufbruchs verpennt!
    Hastig strampelte sich Christopher aus den Decken, eilte an seinen Computer und wechselte in den Server der Firma. Dad hatte sich um 17:05:12 ausgeloggt, vor fünf Minuten also. Er konnte noch nicht weit sein.
    Christophers Finger flogen über die Tastatur. Großbritannien besaß das weltweit dichteste Netz von Überwachungskameras, und einige Monate zuvor war es eine reizvolle Herausforderung gewesen, den Zugang zu dem Computersystem zu knacken, das sie verband und auswertete. Heute Abend machte Christopher zum ersten Mal praktischen Gebrauch davon.
    Der geknackte Zugang funktionierte noch. Ein komplizierter Bildschirm aus Videobildern, Schemaplänen und Listen baute sich auf. Christopher hatte im Frühjahr einen verregneten Nachmittag damit verbracht herauszufinden, wie das alles zu benutzen war. Damals war das ein interessantes Vergnügen gewesen – dass er das System einmal dazu verwenden würde, seinen eigenen Vater zu bespitzeln, wäre ihm nicht im Traum eingefallen.
    Da! Dad, zu Fuß vom Gelände des Krankenhauses her kommend. Er schritt zielstrebig aus, aber offenbar hatte er es nicht eilig.
    Als er aus dem Bild verschwand, klickte Christopher zur nächsten Kamera weiter. Die zeigte die Treppe zu der Metro-Station, mit der Dad aus der Stadt hinausfahren musste, bis zu dem Park-and-Ride-Platz, wo er sein Auto abgestellt hatte. Er würde Dads Metro von Station zu Station folgen; an jeder Haltestelle waren Kameras installiert, über die Christopher sehen konnte, ob sein Vater ausstieg oder nicht.
    Aber Dad stieg nicht einmal ein. Er ging einfach an der Metro-Station vorbei!
    Hektisch klickte sich Christopher durch die Menüs. Hatte er Dad verloren? Nein, da war er. An einer Haltestelle. Er stand da, schien auf einen Bus zu warten.
    Aber warum? Wohin wollte er? Christopher studierte die laufend aktualisierte Anzeige neben dem Kamerabild. Als Nächstes würde ein Bus der Linie 55 nach Leyton ankommen, in etwa zwei Minuten, drei Minuten später ein 135er nach Crossharbour, was wieder eine komplett andere Richtung war.
    Der Bus kam. Dad rührte sich nicht von der Stelle.
    Christopher rieb sich das Kinn. Okay, nach Leyton wollte Dad also schon mal nicht.
    Eine dunkelhaarige Frau, die als eine der letzten Fahrgäste ausgestiegen war, trat zu Dad. Christopher kniff die Augen zusammen. Sprachen sie miteinander? Schwer zu sagen. Aber Dad schien auf sie gewartet zu haben; er ging mit ihr zusammen davon. Man sah die beiden noch eine Weile nebeneinander auf dem Bürgersteig, dann bogen sie in eine Seitengasse ein, wo keine Kamera sie mehr im Blick hatte.
    Und sie kamen nicht wieder zum Vorschein.
    Christopher wurde elend zumute. Er

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