Kohärenz 01 - Black*Out
Datum.
Keine Mitarbeiterin ähnelte der fraglichen Frau.
Was nun? Christopher kam der Gedanke, sich die Sponsoren näher anzusehen. Es war schließlich möglich, dass diejenigen Firmen, die die Veranstaltung bezahlten, auch Mitarbeiter hinschickten, um sich zu vergewissern, dass ihr Geld sinnvoll ausgegeben wurde.
Wobei ihn natürlich vor allem Mitarbeiterinnen interessierten.
Es handelte sich um drei Sponsoren: die Firma A. D. Winston Cyberware mit Sitz in San Francisco, Silicon Valley; die Firma InCell Pharmaceutics mit Sitz in London und die Firma Mitsu Care Products mit Sitz in Nagasaki, Japan.
Während Christopher versuchte, mehr über diese Firmen herauszufinden und möglichst an Fotos ihrer Mitarbeiter heranzukommen, fiel ihm etwas auf, das ihn auf einmal verstehen ließ, woher die Redensart kam, jemandem gefriere das Blut in den Adern.
Alle drei Firmen waren hundertprozentige Töchter der Firma Coherent Technologies, Singapur – jener Firma, die Linus Meany und seinen Partnern gehörte.
46 | Die zwei Wochen, die seine Eltern fort waren, vergingen, ohne dass Christopher ein Wort von ihnen hörte, mal abgesehen von der kurzen SMS, die seine Mutter ihm bei der Ankunft geschickt hatte.
Dann stand auf einmal ihr Auto wieder in der Einfahrt.
Vom Fenster seines Zimmers sah Christopher zu, wie sie ausstiegen, die Koffer ausluden, die Hausschlüssel hervorkramten. Es geschah schweigend. Sie wechselten kein Wort miteinander, sahen sich nicht einmal an.
Trotzdem wirkten sie nicht, als hätten sie noch Krach. In ihren Bewegungen lag ein Gleichklang, wie er ihn schon einmal gesehen hatte.
Und zwar bei Linus und Ayumi.
Sie kamen herein, stellten die Koffer ab, begrüßten ihn, Umarmung, flüchtiger Kuss von Mutter, alles, wie es sich gehörte, soweit. So, wie sie sich gaben und redeten, schien nie etwas gewesen zu sein.
»Und?«, fragte Christopher. »Wie war’s?«
»Schön«, sagte Mutter.
»Vertragt ihr euch wieder?«
»Aber ja.«
Das war alles an Kommentar. Ja, es herrschte Harmonie zwischen den beiden, das war zu spüren. Aber dennoch … Etwas fehlte. Etwas, das mit Freude zu tun hatte. Oder wenigstens mit Erleichterung. Womöglich mit so etwas wie Glück. Doch davon keine Spur. Die neue Harmonie wirkte … irgendwie sachlich. Als hätten zwei Geschäftspartner nach langem Ringen einen für beide Seiten vorteilhaften Deal ausgehandelt und hielten sich nun strikt an die Vertragsklauseln, damit die andere Seite das Arrangement nicht kündigen konnte.
Und am nächsten Abend blieben beide lange fort.
Sie kamen beide erst kurz vor Mitternacht nach Hause, sagten beide nichts dazu. Was Christopher okay gefunden hätte, wenn sie miteinander fort gewesen wären. Aber sie kamen aus verschiedenen Richtungen, Dad eine halbe Stunde nach Christophers Mutter.
Kurz darauf bekam seine Mutter wieder einen Job in der City von London, bei einer der größten Investmentbanken der Welt. Einfach so. Sie schien sich nicht einmal darüber zu freuen. So, als sei das etwas ganz Selbstverständliches.
Das Essen schmeckte nach nichts mehr. Früher waren die gemeinsamen Mahlzeiten immer kleine Höhepunkte des Tages gewesen; sie hatten miteinander geredet und gelacht. Jetzt aßen sie schweigend, wenn sie überhaupt gemeinsam aßen. Wenn Christopher etwas zu sagen versuchte, bekam er nur einsilbige, nichtssagende Antworten. Im Grunde waren es keine Mahlzeiten mehr, sondern nur noch Nahrungsaufnahmevorgänge.
Später fragte sich Christopher oft, was gewesen wäre, wenn er es angesprochen hätte. Wenn er seinen Verdacht geäußert hätte, dass sie etwas mit Linus und seiner Firma zu tun hatten. Wenn er sie gefragt hätte, ob sie einen Chip im Hirn trugen.
Ob sie angeschlossen waren.
Doch tatsächlich hatte er sich diesen Verdacht nicht einmal selber eingestanden. An diese Möglichkeit zu denken, war ihm vorgekommen, wie an UFOs zu glauben: unwirklich. Er verschloss die Augen, wollte es nicht wahrhaben.
Bis seine Eltern eines Abends Besuch mitbrachten.
Es waren drei Männer und eine Frau, die durch die Haustür traten; vier Gesichter, von denen Christopher keines je zuvor gesehen hatte.
Dad hatte Schweißperlen auf der Stirn. Daran sollte Christopher noch oft denken: an diese winzigen, glitzernden Tropfen Schweiß auf Dads Stirn.
Im Grunde hatte er in diesem Augenblick gewusst, was passieren würde.
Zwei der Männer traten sofort hinter Christopher, schnitten ihm den Fluchtweg ab. So, wie sie gebaut waren, gab es kaum
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