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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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einen Zweifel, dass an ihnen kein Vorbeikommen sein würde.
    Der dritte Mann hatte eine Ledertasche dabei, wie Ärzte sie benutzen. Er stellte sie auf den Tisch, öffnete sie und holte einen breiten Lederriemen heraus sowie ein seltsames Gestell, das einer Schraubzwinge ähnelte. Dann hob er ein chromglitzerndes Instrument heraus, das aussah wie eine Pistole mit einem langen, strohhalmdünnen Lauf.
    »Christopher«, erklärte Dad mit maschinenhaft ruhiger Stimme, »wir werden dich jetzt einem kleinen chirurgischen Eingriff unterziehen. Es ist zu deinem Besten, wie du erkennen wirst, und es tut nicht weh. Nicht, wenn du dich nicht wehrst.«

 
    47 | Er wollte schreien, wollte fliehen, sich herumwerfen und zumindest versuchen zu entkommen, doch da packten ihn die beiden Männer schon, hielten ihn fest. Er schrie, daran konnten sie ihn nicht hindern, aber das störte sie nicht weiter. Sie ließen ihn sich die Lunge aus dem Hals brüllen, Verwünschungen, Flüche, Hilferufe.
    Sogar »Feuer!« – »Feuer!«, schrie er, darauf mussten doch selbst die Nachbarn reagieren, die ansonsten lieber weghörten, oder?
    Aber es hörte ihn niemand. Die Nachbarhäuser waren zu weit weg.
    Schließlich trat die Frau hinter Christopher und drückte ihm den kalten Zylinder einer Injektionspistole an den Hals. Mit einem kurzen Zischen jagte sie irgendetwas in seine Blutbahn, das ihn zusammensacken und alle Kraft verlieren ließ. Er verstummte.
    »Entspann dich«, sagte Mutter tonlos, »dann hast du es gleich überstanden.«
    Christopher wollte etwas erwidern, zum Beispiel, dass er keinen Wert darauf legte, irgendetwas zu überstehen, aber er war so müde, so abgrundtief müde. Wenn ihn die beiden Männer nicht gestützt hätten, ihm wäre danach gewesen, sich einfach auf den Boden zu legen. Seine Knie waren weich wie warme Butter. Wobei er nicht wusste, wie sich warme Butter anfühlte, er stellte sich nur vor, dass sie sich so anfühlen musste. Mit mäßigem Interesse verfolgte er, wie sein Vater das seltsame Gestell an den Rahmen der Tür ins Wohnzimmer schraubte, in Höhe von Christophers Kopf. Er befestigte den Ledergurt daran, dann stellten die beiden Männer Christopher mit dem Rücken dagegen, sodass sein Hinterkopf genau auf das Gestell zu liegen kam. Dad zog ihm den Lederriemen über die Stirn und zurrte ihn fest, so fest, dass Christopher sich nicht mehr bewegen konnte.
    So konnte er sich natürlich nicht hinlegen. Aber er konnte auch nicht mehr fallen. Klug ausgedacht, das Ganze, dachte Christopher träge.
    Der dritte Mann legte eine Art Klammer um Christophers Waden: Das sah er nicht, denn sein Kopf war ja fest eingespannt und sein Blickfeld dadurch begrenzt, aber er spürte es. Diese Klammer wurde ebenfalls irgendwie am Türrahmen befestigt.
    Die beiden Männer stützten ihn weiterhin, außerdem hielt jeder von ihnen einen seiner Arme fest.
    Blöde Haltung, dachte Christopher. Man fühlt sich irgendwie so wehrlos.
    Die Frau tauchte in seinem Gesichtsfeld auf, leuchtete ihm mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen, zog jedes seiner Augenlider kurz herunter, wie eine Ärztin, die ihn untersuchte. Bloß dass sie gar nicht aussah wie eine Ärztin, sondern wie eine von Mutters Kolleginnen aus der Investmentabteilung. Sie legte ihre Finger an seinen Hals, wozu? Um seinen Puls zu zählen? Seltsam.
    Seltsam auch, dass alles in völligem Schweigen vor sich ging. Niemand gab Kommandos, sie warfen einander keine Blicke zu, gaben sich keine Handzeichen, nichts. Jeder schien genau zu wissen, was er wann zu tun hatte.
    Die Frau holte eine kleine Sprayflasche hervor, an der ein langes, dünnes Röhrchen befestigt war, das sie ihm in die Nase schob. Es zischte, ein chemischer Geruch und das Gefühl von Kälte breiteten sich in seiner Nase aus. Gleich darauf begannen sein Rachen, sein Gaumen, das ganze Innere seines Kopfes sich taub anzufühlen und so, als sei es nicht mehr da.
    Seltsam alles. Wenn nur seine Knie nicht so weich gewesen wären. Christopher hatte mehr und mehr das Gefühl, dass ihn nur noch der Gurt um seinen Kopf aufrecht hielt.
    Die Frau verschwand, dafür tauchte Dad in seinem Gesichtsfeld auf. Dad, dem der Schweiß auf der Stirn stand. Dad, dessen Augen unmerklich zuckten.
    »Du wirst jetzt gleich ein unangenehmes Geräusch in deinem Kopf hören«, erklärte er bedächtig. Er hatte das seltsame, chromglänzende, pistolenähnliche Gerät in der Hand und eine kleine Schatulle, wie man sie für Eheringe und dergleichen

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