Kohärenz 02 - Hide*Out
fällt der sonst tot um«, meinte er trocken. Dann wies er auf den Rechner. »Kannst du alles runterlöschen, was du gemacht hast? Auch den Cache? Temporäre Files? Druckaufträge?«
»Moment.« Das war eine Angelegenheit von ein paar Tastendrücken. Christopher hatte es sich schon vor langer Zeit angewöhnt, auf fremden Rechnern parallel zu allem, was er tat, eine Scriptdatei mitzuführen, die sämtliche Spuren in einem Arbeitsgang wieder löschte, wenn er sie aufrief. Natürlich unter Benutzung eines Programms, das Dateien richtig löschte, mit anderen Worten, das den Dateiinhalt mit Leerzeichen überschrieb, anstatt einfach nur eine Löschmarkierung zu setzen, wie es die Löschbefehle der meisten Betriebssysteme machten.
Danach musste er nur noch die Scriptdatei löschen und, ganz zum Schluss natürlich, weil es sich ja selber löschen musste, besagtes Löschprogramm.
Während diese Prozedur lief, sammelten sie alles ein, was Christopher benutzt hatte – die Zeichnung, die Filzstifte, Notizblätter, die er bekritzelt hatte.
»Was ist mit dem Plotter? Hat der noch was im Speicher?«, fragte Jack.
Christopher schüttelte den Kopf. »Nein. Hab ich schon heute Nacht rausgelöscht.«
George tauchte wieder auf, gab Jack die Schlüssel zurück. »Und jetzt?«
»Jetzt verstecken wir euch.«
Jack ging eine Klappleiter holen, stellte sie mitten im Flur auf und stieg nach oben. Er fummelte kurz an der Decke herum, worauf sich eine große, bis dahin unsichtbare Klappe in der Holzverkleidung löste und einen Hohlraum darüber freigab. »Rauf mit euch«, meinte Jack, während er zurück auf den Boden trat.
»Da rauf?« George beäugte das Versteck misstrauisch. Sie würden zwischen vier Dachlatten hindurchklettern und sich dann auf diese legen müssen, ehe man die Klappe wieder schließen konnte.
»Die halten euch aus, keine Sorge«, meinte Jack. »Du würdest dich wundern, was für dicke Leute dort oben schon gewesen sind.«
Christopher war zu beunruhigt darüber, dass die Kohärenz imstande gewesen war, ihn aufzuspüren, als dass er sich wegen ein paar Dachlatten hätte Gedanken machen können. Er stieg als Erster hinauf, zwängte sich in den Zwischenraum und rückte dann zur Seite, um George Platz zu machen. Bequem war es nicht, aber auszuhalten.
Als sie beide oben waren, holte Jack den Schaltplan und die Notizen, rollte alles zusammen und reichte die Rolle hinauf. Christopher verstaute sie neben sich. Dann wurde die Klappe wieder zugedrückt. Durch einen haarfeinen Spalt konnte man ein Stück Fußboden kurz hinter der Haustür sehen, mehr nicht. Aber hören konnte man, gut sogar. Jack verstaute die Klappleiter wieder und sie hörten jedes Klappern, jeden seiner Schritte und das Quietschen der Schranktür.
»Wenn man hier oben so gut hört«, flüsterte Christopher George zu, »dann gilt das umgekehrt vermutlich genauso.«
Worauf Jacks Stimme erscholl: »Ja, stimmt genau. Also, nicht husten!«
Es war nicht ganz dunkel in ihrem Versteck. Ab und zu verirrte sich ein unglückliches Photon durch den winzigen Spalt, durch den man hinabsehen konnte, und diese minimale Lichtquelle reichte, um mit der Zeit zumindest Umrisse erahnen zu können. Georges Kopf zum Beispiel war so ein Umriss im Dunkeln, und als George ihn antippte, konnte Christopher sogar erkennen, dass Madonnas Bruder den Mund weit geöffnet hatte und auf diese Weise atmete. Und tatsächlich: Wenn man langsam durch den weit offenen Mund atmete, dann machte das keinerlei Geräusch!
Hatten was, diese alten Indianertricks.
»Die Autos müssten jeden Moment ankommen«, rief Jack. »Ich geh jetzt raus. Wartet, bis ich euch hole. Ach ja, Christopher: Wann warst du in dem Server? Gestern Abend oder?«
»Ja. Gegen halb zehn«, sagte Christopher, wobei er sich mit der Uhrzeit nicht ganz sicher war.
»Danach nicht mehr?«
»Nein.«
»Gut. Damit lässt sich was anfangen.« Im nächsten Moment schlug die Haustür zu.
Sie warteten, atmeten und lauschten. Wenn man sich mal dran gewöhnt hatte, gab es einiges zu hören. Das Geräusch sich nähernder Fahrzeuge. Autotüren, die zuschlugen. Schritte auf Kies. Stimmen, wobei man die Worte nicht verstand.
»Was hat Jack vor?«, hauchte Christopher schließlich.
»Sie austricksen«, flüsterte George so leise, dass man beinahe glauben konnte, sich die Stimme nur eingebildet zu haben.
Sie austricksen. Gut. Jack wirkte wie jemand, der so etwas schaffte.
Gerade als die Stille so umfassend wurde, dass Christopher
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