Kohärenz 02 - Hide*Out
Christopher rüttelte daran, aber er ließ sich nicht einfach abtrennen.
Er ließ es, richtete sich wieder auf. »Wir müssen los. Die anderen Upgrader sind immer noch auf dem Weg hierher.« Es war geradezu ein Wunder, dass der Hubschrauber noch nicht über ihnen kreiste.
»Stimmt.« George wirkte, als erwache er aus einer Trance. »Nichts wie weg.«
Sie rannten. George voraus, Christopher hinter ihm, zur vorderen Hallentür hinaus und um die Halle herum, zurück zum Auto. Kein Hubschrauber, niemand weit und breit. Noch.
George war mit weitem Abstand als Erster beim Wagen, warf Bogen und Pfeilköcher auf den Rücksitz, warf sich hinters Steuer und hatte den Motor schon angelassen, als Christopher eintraf.
»Was denkst du?«, fragte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, während Christopher sich anschnallte und die Tür zuzog. »Waren das zwei echte Polizisten?«
»Keine Ahnung.«
»Weil, dann bin ich dran.« George gab Gas, als gelte es, noch heute Mexiko zu erreichen. »Mit Indianern, die weiße Polizisten umbringen, macht man kurzen Prozess.«
»Quatsch!« Wieder diese Wut in ihm. »Du hast sie nicht umgebracht, wie oft soll ich dir das noch sagen?« Christopher fiel etwas ein. »Halt mal!«
»Was?«
»Halt an!«
George stoppte dicht vor der Ausfahrt.
»Ich muss was holen.« Christopher stieß die Tür wieder auf, rannte zurück zu dem Wagen, mit dem die beiden Upgrader gekommen waren. Er war nicht verschlossen. Auf dem Rücksitz lag ein flacher Koffer. Christopher öffnete ihn, betrachtete den Inhalt kurz, klappte den Deckel wieder zu, packte ihn am Griff und rannte damit zurück. »Okay«, keuchte er. »Fahr los!«
George gab Gas, bretterte hinaus auf die Straße und dann den Hang hinauf, so schnell es der alte Wagen schaffte.
»Was ist das?«, fragte er mit einem Nicken in Richtung Koffer.
»Etwas, das wir brauchen werden«, sagte Christopher.
Waffengebrauch
79 | Sie erreichten ihr Versteck unbehelligt.
»Wir brauchen einen Platz, wo wir ein paar Stunden ungestört sind«, hatte Christopher gesagt.
Worauf George gemeint hatte: »Kein Problem. Solche Plätze gibt’s in einem Indianerreservat jede Menge.«
Nun saßen sie in einem Wäldchen, das kaum größer war als ein Fußballfeld und sich in eine Bodensenke duckte, in der die Bäume geschützt vor dem Präriewind wachsen konnten. Ein kleiner Bach floss hier, harmlos und unbekümmert plätschernd, das Auto stand unter dichtem Gebüsch versteckt und es gab, wie gesagt, Bäume. Jede Menge luftig stehende, aufrecht gewachsene, stabile Bäume.
Ein Baum würde bei dem, was noch kam, eine wichtige Rolle spielen.
Christopher spürte die Faust in seinen Eingeweiden wie noch nie zuvor. Er litt an richtiggehenden Krämpfen. Alles in ihm schrie danach wegzurennen, sich in irgendeine Höhle zu verkriechen, sich eine Decke über den Kopf zu ziehen und die Augen zuzumachen und an nichts mehr zu denken, an nichts und vor allem an niemanden.
»Folgendes.« Er stellte das Plastiketui mit dem erbeuteten Chip darin auf den Koffer, der zwischen ihnen auf dem Waldboden lag. »Das ist, wie gesagt, der Chip, den die Kohärenz Leuten einpflanzt. Der Chip, den ich abgekriegt habe, unterscheidet sich von diesem hier nur dadurch, dass mein Vater ihm zwei Beinchen abgeschnitten hat. Genauer gesagt, diese beiden hier.« Er hob das Etui hoch und zeigte auf die beiden Kontaktfüße, obwohl ihm klar war, dass das für George nebensächlich war. Aber er hielt diese Ansprache eigentlich nicht für George, sondern für sich selber. Um sich noch einmal zu vergewissern, dass alles einen Sinn ergab. »Wenn diese beiden Kontaktstellen fehlen, dann hat die Kohärenz keine Kontrolle über den Menschen, der den Chip trägt. Stattdessen kann man sich dann nach Belieben ins Feld ein- und ausklinken.«
George nickte. »Deswegen hat sie dir diesen Virus eingeschleust. Um das auszugleichen.«
»Genau. Das Problem dabei war allerdings, dass so ein Chip nicht in der gleichen Weise programmierbar ist wie ein Computer. Der größte Teil der Funktionalität ist fest verdrahtet und kann folglich nicht verändert werden. Um überhaupt einen Virus in dem Chip unterbringen zu können, muss man die wenigen Speicherstellen ausnutzen, die es überhaupt gibt.« Deswegen war der Virus auch nicht sofort wirksam geworden: Er hatte sich sozusagen erst nach und nach entpacken müssen, hatte mit jedem Feldkontakt weitere Bestandteile nachgeladen und in die richtigen Register gesetzt, bis er
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