Kohärenz 02 - Hide*Out
sein muss? Dass die längst die Polizei angerufen haben?«
Kyle schüttelte den Kopf. »Ich hab ihnen ‘ne wilde Story erzählt, wozu ich das brauche. Ich hab gesagt, ich hätte einen Freund, den seine Freundin telefonisch überwacht, wenn er ohne sie unterwegs ist. Gibt es ja, solche Leute – führen sich auf, als seien sie Notärzte in Einsatzbereitschaft, und in Wirklichkeit haben sie nur eine eifersüchtige Freundin. Ich hab behauptet, ich wollte diesen fiktiven Freund in eine abgeschirmte Hütte lotsen, wo wir dann unsere Ruhe hätten, während seine Freundin durchdrehen soll, weil sie ihn nicht erreicht. Weil die Hütte eben abgeschirmt ist.«
»Und das haben sie geschluckt?«
»Die kennen beide auch so Leute. Fanden das eine Super-Idee.« Kyle holte ein rot-golden schimmerndes, netzartiges Gewebe aus dem Kofferraum, das aussah wie Fliegengitter für Millionäre. »Hier. Weiches Abschirmgitter aus einer Kupferlegierung. Wir haben es mit seinem Telefon ausprobiert. Es eingewickelt und dann versucht, es von dem Telefon auf seiner Theke aus anzurufen. Es hat nicht geklingelt. Keine Verbindung.« Er hielt es Christopher triumphierend hin.
Christopher nahm es und breitete es aus. Das Drahtgeflecht war etwa sechzig auf sechzig Zentimeter groß. »Für eine Hütte würde das aber nicht reichen.«
»War teuer genug. Ich hab gesagt, ich muss das erst testen.« Kyle grinste. »Richtig cool aussehen wird es nicht, klar. Aber wenn du es dir über den Kopf legst und mit irgendwas locker um den Hals herum zubindest… Es geht ja nur darum, dass du notfalls auch außerhalb einer ›weißen Zone‹ schlafen kannst.«
Christopher rief sich in Erinnerung, was er über Mobilfunktechnik wusste. Er seufzte. »Das wird nicht funktionieren.«
»Doch, das hat funktioniert. Wir haben’s ausprobiert!«
»Mobilfunknetze benutzen Frequenzen mit Wellenlängen im Zentimeterbereich. Das heißt, dass die Abschirmung nur funktionieren kann, wenn sie keinerlei Spalt aufweist.« Christopher legte sich das Netz über den Kopf und zog es um den Hals herum zu. »Siehst du? Der ganze Halsbereich bleibt frei.«
»Okay. Aber es wäre ein bisschen viel verlangt, dass du dir den Kopf abschneidest.«
»Der Punkt ist, dass es schon genügt, wenn eine Öffnung nur fingerbreit ist, um eine Abstrahlung zu ermöglichen und damit Funkkontakt herzustellen. Deshalb funktionieren Mobiltelefone innerhalb von Autos. Eine Karosserie wirkt gegenüber einem Blitz als faradayscher Käfig und schirmt einen ab – aber telefonieren kann man trotzdem. Weil der Käfig an den Fenstern unterbrochen ist. Diese Art Wellen kommen da durch.«
Kyle furchte die Augenbrauen. Die Narbe auf seiner Stirn rötete sich, was immer ein schlechtes Zeichen war, was seine Laune anbetraf. »Was willst du damit sagen?«
»Dass es nicht funktionieren wird. Vielleicht, wenn man meinen ganzen Körper in so ein Geflecht einwickeln würde, keine Ahnung – aber so wird es nicht funktionieren.«
»Mann!« Kyle kickte einen Stein fort, tat ein paar Schritte zur Seite. »Weißt du, was allein dieses blöde Stück Draht gekostet hat? Und jetzt soll das…? Mist, nein, das glaub ich nicht einfach so. Das probieren wir aus.«
Er ließ sich nicht davon abbringen. Also blieb Christopher keine andere Wahl, als zu ihm ins Auto zu steigen, das Abschirmnetz und ein Stück Schnur in der Hand.
»Ihr könnt ja schon mal das Abendessen vorbereiten«, rief Kyle den anderen zu. »Wir sind in einer Stunde wieder zurück.«
Damit wendete er in einer weiträumigen, ungeduldigen Bewegung und gab Gas, dass Steinchen und Unterholz unter den Reifen wegspritzten.
»Ist doch ein aussagekräftiger Test, oder?«, vergewisserte er sich, während sie an Georges Wagen vorbei auf den Waldweg einbogen und es rasant hügelan ging. »Wir fahren, bis du das Funknetz spürst – oder dein blöder Chip, genauer gesagt –, dann legst du dir das Gitter über den Kopf, und wenn die Abschirmung funktioniert, spürst du das Funknetz nicht mehr. Oder?«
»Ja«, sagte Christopher unglücklich, weil er sich sicher war, dass es so nicht ablaufen würde. »Wenn die Abschirmung funktioniert, würde der Chip wieder Ruhe geben.«
»Genau«, sagte Kyle zufrieden und schaltete einen Gang höher.
Sie brauchten etwa eine halbe Stunde, bis Christopher das Netz spürte, der Chip aktiv wurde und er ihn wieder unter Kontrolle bringen musste.
»Wir fahren noch ein bisschen weiter«, meinte Kyle, als Christopher ihm das
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