Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
geschlossen hat. Er hat davon gesprochen, dass meine Mutter bei der Silverstone Bank gearbeitet hat.« Er deutete auf den Bildschirm. »Das hier hat was mit der Kohärenz zu tun, ganz sicher.« Er setzte sich wieder an den Tisch, das Colaglas in der Hand. »Was hast du dort gemacht?«
    Guy betrachtete ihn, als frage er sich, ob Christopher gerade durchdrehte.
    »Ich war mit einem Freund unterwegs«, erzählte er. »Ghandaraj. Ich kenne ihn vom CalTech. Er stammt aus Indien, hat Architektur und Umweltwissenschaften studiert und lebt heute in Norwegen.« Er ging das Video durch, zeigte ihnen das Bild eines dunkelhäutigen, selbstbewusst grinsenden Mannes. »Das ist er.«
    »Okay. Und was wolltet ihr dort?«
    »Ghandaraj beschäftigt sich damit, wie die Bauweise von Gebäuden das Wohlbefinden der Menschen darin beeinflusst. Ökologische Bauweise gut und schön, sagt er, aber tut es den Menschen darin eigentlich gut? Oder spart man Energie auf Kosten der Gesundheit? Zu dem Thema wollte er eine Reportage machen, Leute befragen, Messungen durchführen, eine Art Lehrfilm für seine Studenten und, mit etwas Glück, einen Beitrag fürs norwegische Fernsehen. Ich hab ihm dabei geholfen, weiter nichts.«
    Er suchte in dem Video hin und her. »Ich sollte erst als Kameramann mit, aber dazu hatte ich ehrlich gesagt keine Lust. Bin ja mein eigener Kameramann; außerdem würde meine Brille nichts von dem sehen, was ich durch einen Sucher sehe.« Er tippte sich an den Brillenbügel, der die Kamera enthielt. Klar, die würde nur die Rückwand der anderen Kamera aufnehmen. »Ghandaraj hat dann jemand anders gefunden, einen Profi, und ich hab den Ton gemacht. So richtig mit Mikrofon am Galgen, Rekorder am Gürtel, altmodisch, aber robust. Hier, das ist der Kameramann. Chen. Ich hab nicht mitgekriegt, woher er stammt, ich glaube, aus Vietnam. Auf jeden Fall lebt er in Stockholm, ist mit einer Schwedin verheiratet und arbeitet fürs Fernsehen.«
    »Okay«, sagte Christopher. »Und warum das Emergent Building?«
    Der PentaByte-Man hob die Schultern. »Ich schätze, weil es ein Vorzeige-Ökoprojekt ist. Keine Ahnung, da müsstest du Ghandaraj fragen. Mir hat's einfach Spaß gemacht, ein bisschen Reporter zu spielen. Wir sind vorher in ein paar anderen Gebäuden gewesen – in einem Bürohaus in Süddeutschland, das komplett aus Holz gebaut ist, im Sitz der EU-Kommission in Brüssel ... Und so weiter. Die finden wir bestimmt, wenn wir weitersuchen.«
    Der Sitz der EU-Kommission. Das Machtzentrum Europas. Christopher war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob das hier nicht nur falscher Alarm war.
    »Okay«, sagte er. »Was habt ihr in London gemacht?«
    »Wir können's uns einfach anschauen«, meinte Guy und ließ das Video laufen.
    Man sah, wie die drei auf das Gebäude zumarschierten, das sich funkelnd und imposant vor ihnen erhob. Emergent hieß so viel wie aufsteigend, sich von selbst entwickelnd: Das beschrieb den Anblick ganz gut. Das Bauwerk sah aus, als sei es gerade aus dem Boden gewachsen. Die Stadtsilhouette und die Wolken am Himmel spiegelten sich darin und ließen es wie eine gigantische Sinnestäuschung wirken.
    »Wir hatten einen Termin bei einer Werbeagentur im siebten Stock«, erklärte Guy dazu. »Intrusive Pictures, wenn ich mich recht entsinne. Machen diese aufdringlichen Anzeigen, die einen beim Surfen so auf den Geist gehen.«
    Sie durchschritten ein Portal und eine Art Tunnel. Es sah ein bisschen aus wie das Betreten einer mittelalterlichen Burg, nur dass es Glas war, das sie umgab, nicht Stein.
    Der Innenhof war erfüllt von sanft herabrieselndem Licht. Guys erster Blick ging hinauf zu den umlaufenden Galerien, die aus dieser Perspektive fast wie eine Zuschauertribüne aussahen. Jedes Geländer bestand aus Glas einer anderen Farbe, alle zusammen bildeten das Farbspektrum eines Regenbogens, unten Rot, oben Violett.
    Der nächste Blick galt der gläsernen Bank, die wie ein Eisklotz am Grund einer Schüssel wirkte. An dem Gebäude war tatsächlich alles durchsichtig, was man nur durchsichtig machen konnte – Wände, Tische, Schalter, selbst die Schreibtische. Nur die Angestellten und die Kunden waren nicht transparent. Und wenn man genauer hinsah, die Geldkassetten und Tresore auch nicht.
    Es ging in einen Aufzug, der in eine grüne Etage führte. Sehr passend. Sie betraten die Agentur, sprachen mit dem Chef, dann mit den Mitarbeitern, bauten vorher jeweils die Kamera auf, machten Witze, um die Situation zu entspannen,

Weitere Kostenlose Bücher