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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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haben.
    Irgendwann war die erste Vier-Terabyte-Platte durch. Guy schloss die nächste an. Dann die übernächste. Die Stunden flogen nur so dahin.
    Die erste Platte steckte Guy allerdings nicht zurück in den Schrank. Es sei, erklärte er, ja eigentlich die letzte, die aktuelle Platte, und sie sei noch nicht voll. Er stöpselte sie zwischendurch immer wieder an seinen Computer, um die Videos der vergangenen Tage zu übertragen.
    »Du nimmst immer noch alles auf?«, fragte Serenity fassungslos.
    »Du kennst doch mein Motto«, erwiderte Guy gelassen. »Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute.«
    »Unglaublich.«
    »Weißt du«, sagte er, »wenn man so etwas macht, darf man irgendwann nicht mehr darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist. Man muss es einfach tun. Sonst kann man so etwas nicht durchziehen.«
    Das könnte auch das Motto sein für das, was wir gerade tun, dachte Christopher, als sie weitermachten. Die nächste Platte. Und die nächste. Inzwischen waren sie fast zwei Jahre in der Vergangenheit.
    Und dann – fanden sie es.
    Es begann damit, dass auf dem Bildschirm eine neue Fundstelle auftauchte. Im Hintergrund sah man moderne Architektur, viel Stahl und spiegelndes Glas und kühle Farben, vor allem Violett. Die Überwachungskamera saß unübersehbar auf einer Halterung an der Wand und glotzte sie an.
    Christopher gähnte. »Wo ist das?«
    Guy konsultierte die Anmerkungen, die er zu den Videos hinterlegt hatte. »Wieder in London. Da bin ich gerade in ... warte ... ah, hier. Das ist das Emergent Building. Sagt dir bestimmt was, wenn du mal in England gelebt hast.«
    Christopher stand mühsam auf, wankte zum Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Cola ein. »Emergent Building ... Ja. Das ist einer von diesen Glaspalästen an der Themse. Total neu, total hässlich, total einundzwanzigstes Jahrhundert.« Er nahm einen Schluck. »Die Londoner nennen das Ding, glaube ich, ›die Torte‹.«
    Guy lachte auf. »Wusste ich nicht. Aber das passt.«
    »Was ist das für ein Gebäude?«, wollte Serenity wissen.
    »Ein riesiges Bürogebäude«, sagte Guy. »Eins von diesen Vorzeige-Investment-Projekten, in dem die Mieten unbezahlbar sind. Es ähnelt ein bisschen dem Kolosseum in Rom, falls du das kennst.«
    »Nur von Bildern«, sagte Serenity.
    »Egal«, meinte Guy. »Eigentlich ähnelt es dem Kolosseum auch nicht wirklich.«
    Christopher hörte nur mit halbem Ohr zu. Er war müde. Ob er sich ein wenig hinlegen und den beiden die weitere Suche eine Weile überlassen sollte? Der Gedanke war verführerisch.
    »Stell dir ein Gebäude vor, das aussieht wie ein großer, dicker Ring. Ziemlich hoch – sechzehn Stockwerke – und nach außen schräg abfallend. Verglaste Wände. Wenn man davorsteht, wirkt es wie eine Festung, obwohl alles aus Glas ist.«
    Kopfschmerzen hatte er außerdem. Wann hatte er das Wohnmobil eigentlich das letzte Mal verlassen? Er wusste es nicht mehr. Beunruhigend. Offenbar fing er auf seine alten Tage an, Frischluft zu vermissen.
    »Der Innenraum ist komplett überdacht. Es regnet also nicht rein und die einfallende Sonne reicht den größten Teil des Jahres aus, das gesamte Gebäude zu heizen. Der Energieaufwand für Heizung oder Kühlung soll minimal sein, sagt man.«
    »Klingt doch gut«, meinte Serenity.
    »Klar.« Guy sprang in seinem Video hin und her, suchte Stellen, an denen man einen Blick auf das Bauwerk hatte. »Hier, siehst du? Jedes Stockwerk hat eine umlaufende Galerie, von der aus man in den Innenraum hinab und auf die andere Seite schauen kann. Es sind ständig Leute unterwegs, rufen sich irgendwas zu und so weiter. Soll gut sein fürs Kommunikationsklima. Na ja, was halt in solchen Broschüren steht. Schade ist, dass sie kein Café unten in den Innenhof gebaut haben, sondern diese Scheußlichkeit hier.« Ein anderes Bild, ein Gebilde, das vage an einen Kristall erinnerte. »Hässlich, oder? Ist komplett aus Panzerglas. Auch die Möbel sind aus Glas, die Zwischenwände, alles. Ein Gag, klar, aber einbruchssicher. Ist eine Niederlassung der Silverstone Bank. Deren Firmenmotto lautet, dass alles transparent ist bei ihnen, die Gebühren, die Bedingungen –«
    Christophers Kopf ruckte wie von selber hoch. »Sag das noch mal«, verlangte er. »Wie heißt die Bank?«
    »Silverstone.«
    »Das ist es.«
    »Was?«
    Auf einmal war Christopher hellwach. Kopfschmerzen, Müdigkeit, alles war wie weggeblasen. »Mein Vater hat diesen Namen erwähnt. Eine seiner Erinnerungslücken, die sich irgendwann

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