Kohärenz 03 - Time*Out
Zeiten« und nutzte sie, um das Bunkersystem zu verlassen oder zu betreten. Man folgte dabei einer Route, die vorwiegend über blanken Fels führte, sodass kaum Reifenspuren zurückblieben. Um auch die noch zu beseitigen, gab es das »Besenauto«, das eben die Spuren des Wagens von Jeremiah Jones verwischt hatte.
Natürlich waren diese blinden Zeiten wild verteilt. Zudem lag der nächste Supermarkt über hundert Meilen weit entfernt, und dort wollte man nicht durch ungewöhnlich große Einkäufe auffallen: Das machte die Versorgung mit frischen Nahrungsmitteln schwierig, seit sie alle hier Unterschlupf gefunden hatten.
»Aber keine Sorge, verhungern werden wir auf keinen Fall«, hatte Clive Tucker versichert. Clive war so etwas wie der Sprecher der Hide-Out-Leute: ein schriller Typ, der nur Overalls trug – vorwiegend in Farben wie Bonbonrosa oder Kotzgrün – und seinen enormen Bart zu zwei Zöpfen flocht, die er im Nacken miteinander verknotete. Er hatte ihnen die Vorratskammern gezeigt: schier endlose Stollen voller Regale, in denen sich Dosen, Säcke und Plastikboxen stapelten; haltbare Nahrungsmittel und genug davon, um notfalls mehrere Jahre ohne Kontakt mit der Außenwelt überleben zu können.
Nun gab es neue Satellitendaten. Doch derjenige, der das Programm geschrieben hatte, war inzwischen zu seinen Eltern zurückgekehrt, weil sein Vater, der eine kleine Softwarefirma führte, einen Schlaganfall erlitten hatte und vorerst nicht mehr arbeiten konnte. Deswegen waren die Hide-Out-Leute froh über Christophers Hilfe. Es genügte nämlich nicht, die Daten, die, so munkelte man, von einem Kontaktmann im Pentagon kamen, einfach nur einzuspielen. Man musste auch nachprüfen, ob das Programm überhaupt noch richtig rechnete und ob womöglich ein Satellit dazugekommen war, der die bisherigen Lücken schloss.
Genug zu tun also. Und Christopher war froh, dass er in dem ganzen Tohuwabohu, zu dem sein Leben geworden war, endlich wieder einmal das tun durfte, was er am besten konnte: Programmieren.
Das Schönste dabei war, dass Dad wieder mitmachte. Es war fast wie früher, wenn sie an den Computern saßen und sich über Unterprogrammaufrufe, Variablenbelegungen und Laufzeitprobleme unterhielten.
Wenn ein Tag wie im Flug verging.
Brotbacken war nicht das Problem. Wie man das machte, hatte Serenity schon als Kind gelernt. Damals, als sie noch mit ihren Eltern und ihrem Bruder Kyle in dem Haus am Waldrand gelebt hatte und die Welt in Ordnung gewesen war. Sie hatte noch im Ohr, was Mom über das richtige Kneten gesagt hatte: »So lange, bis du nicht mehr kannst. Und dann noch ein bisschen.«
Brot für so viele Menschen zu backen, war aber etwas völlig anderes. Serenity hatte das Gefühl, seit Ewigkeiten in der riesigen heißen Küche zu stehen und in einem fort Weizen aus gigantischen Säcken in die Getreidemühle abzufüllen, Teig zu machen und einen Brotlaib nach dem anderen zu formen, die ein hagerer Mann mit kurz geschorenen Haaren, der Bernie oder Bunny hieß, dann in den glühenden Ofen schob. Zeit, sich irgendwelche Sorgen zu machen, blieb da nicht groß; das war ein Vorteil. Außerdem lief das Radio auf voller Lautstärke. Serenity hoffte jedes Mal, wenn ein neuer Song anfing, dass sie Madonna Two Eagles singen hören würde.
Wie lange war ihre Freundin jetzt fort? Eine Woche? Serenity kam es vor wie ein Monat. Da würde die CD wohl kaum schon fertig sein. Bestimmt war Madonna noch schwer damit beschäftigt, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden.
Serenity seufzte. Sie wäre so gerne dabei gewesen, wenn ihre Freundin das erste Mal ihre Lieder in einem echten Tonstudio sang. Stattdessen stand sie hier und kämpfte mit der Getreidemühle. Die Hide-Out-Leute lagerten kein Mehl ein, erklärte Irene, weil das mit der Zeit schlecht werden konnte. Reiner Weizen dagegen war nahezu unbegrenzt haltbar; man hatte in Gräbern ägyptischer Pharaonen viertausend Jahre alten Weizen gefunden, der noch essbar gewesen war.
Die Mühle machte einen Heidenlärm, der das Radio jedes Mal übertönte. Was wiederum nicht so schlimm war, denn allmählich begann Serenity, die Werbung auf den Geist zu gehen, die nach fast jedem Stück kam: »Internet war gestern. Mach den Schritt in die Zukunft. Am achten Juni, acht Uhr. Mit FriendWeb.«
Nächste Ladung Getreide in die Mühle, erste Ladung Mehl in die Schüssel zum Teiganrühren. Und im Radio leierte diese beknackt begeisterte Stimme schon wieder: »Internet war gestern…
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