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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Ire nickte. »Nichts Besonderes, das stimmt. Aber er wollte mir schaden. Er kam aus Mexiko zurück mit dem Wissen, welche seiner Angestellten zu mir gehörten. Wenn er sich damit begnügt hätte, sie zu entlassen, hätte ich mich nicht weiter um ihn gekümmert. Doch er hat sie verklagt, hat eine regelrechte Kampagne inszeniert, hat versucht, das Ganze zu einem Skandal aufzubauschen. Das konnte ich in dem Moment nicht brauchen, also habe ich ihn ruhiggestellt Das Gerichtsverfahren wurde mit einem Vergleich beendet und er machte einfach die Filme, die er schon vorbereitet hatte – das war die unauffälligste Lösung.«
    »Verstehe«, sagte Christopher.
    Die Kohärenz drang nicht weiter in ihn; es schien sie nicht länger zu interessieren, wie er nach Locmézeau geraten war.
    Wozu auch? Sobald er den Chip trug, würde sie eh alles erfahren.
    Alles. Auch wie es war, Serenity zu lieben. Verdammt.
    Das Flugzeug ging in Sinkflug über. Das Anschnallzeichen leuchtete auf. Draußen in der Dämmerung, die über das Land fiel, tauchten die Lichter einer Großstadt auf, großzügig in die Gegend gestreut: London.
    Die Landung verlief glatt, quasi perfekt. Als die Maschine stand, schnitten sie ihn los und geleiteten ihn die Gangway hinab zu einem Wagen, der auf sie wartete. Diesmal war es eine große schwarze Limousine, genau wie in den Filmen; sie nahmen ihn zwischen sich auf die Rückbank und verpassten ihm richtige Handschellen: Eine Bewegung, und sie schnappten um sein Handgelenk zu. Interessant, das einmal zu erleben. Während der Wagen losfuhr, studierte Christopher die Funktionsweise der metallenen Fesseln, unfreiwillig fasziniert. Er hatte sich noch nie viel Gedanken gemacht, wie Handschellen eigentlich funktionierten, aber klar: Es gab bestimmt Situationen, in denen es drauf ankam, dass die Dinger schnell angelegt waren, und in denen man nur eine Hand frei hatte.
    Doch dadurch, dass er sich jetzt in Gedanken an irgendwelchem Kleinkram aufhielt, würde er das, was ihm bevorstand, auch nicht hinauszögern. Er lehnte sich zurück, schaute geradeaus.
    Natürlich fuhren sie zum Emergent Building. Es überraschte ihn kein bisschen. Alle Stockwerke hell erleuchtet, erhob es sich vor ihnen wie ein Berg aus Licht, als sie aus dem Wagen stiegen.
    Er blickte sich um. Der große Platz, auf dem es stand, lag menschenleer und verlassen da. Dies war ein reines Geschäftsviertel; in den umliegenden Gebäuden arbeitete um diese Zeit niemand mehr. Wahrscheinlich fühlte man sich deshalb einsam, mitten in einer der größten Städte der Welt. Sie hätten sich genauso gut irgendwo in der Wüste befinden können.
    Die Männer hielten ihn, trotz seiner Handschellen, immer noch an den Oberarmen, einer links, einer rechts, beide mit eisernem Griff. So geleiteten sie ihn auf das Gebäude zu.
    Es war derselbe Weg, dieselbe Szenerie, die Christopher schon aus den Videos des PentaByte-Man kannte: der breite, strahlend weiße Plattenweg, der auf das Bauwerk zuführte. Die zylindrischen Leuchtkörper aus dickem Mattglas, die ihn säumten. Das Portal, das sie durchschritten. Der Innenhof...
    Und dann hob Christopher den Blick und sah sie. Überall standen sie, auf jedem einzelnen Stockwerk, dicht an dicht entlang der Galeriebrüstung: Upgrader, die schweigend auf ihn herabschauten. Es sah aus wie eine Willkommensgeste, wie eine Respektsbezeugung beinahe.
    »Ist das jetzt nicht ein bisschen viel der Ehre?«, murmelte er unbehaglich.
    »Du bist einer meiner Väter«, sagten die beiden, die ihn gepackt hielten, im Chor. »Und nun kehren dein Wissen, deine Erinnerungen und dein Talent zu mir zurück. Das ist ein Tag der Freude, ein Vorbote künftiger Triumphe.«
    Christopher schluckte. »Na, dann ...«
    Sie zogen ihn weiter, hin zu dem gläsernen Klotz in der Mitte des Innenhofs. Der sah irgendwie anders aus, als Christopher ihn von den Videos in Erinnerung hatte, aber er hätte nicht sagen können, inwiefern.
    Im nächsten Moment vergaß er auch, sich darüber weiter Gedanken zu machen. Vor dem gläsernen Zugang wartete eine einzelne Person auf ihn, und Christopher stockte der Atem, als er sie erkannte.
    Es war seine Mutter.

83

    »Hallo, Christopher«, sagte sie sanft.
    Christopher hatte auf einmal einen trockenen Mund. »Hallo, Mutter«, sagte er mühsam. »Wie geht es deinem Vater?«
    »Gut.«
    Es war nur ihr Körper, sagte er sich. Es war immer noch die Kohärenz, die mit ihm sprach, die den Mund seiner Mutter benutzte. Es war nur ein Trick, um ihn

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