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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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verrückter kam sie ihm vor.
    Doch das kam ihm gerade recht. Er hatte schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, mal wieder einen richtig ätzenden Verriss zu bringen.
    Vor ein paar Jahren hatte er John Salzman dazu gebracht, ihn anzurufen und sich zu beschweren. Das sollte diesmal auch zu schaffen sein, nahm er sich vor und begann zu schreiben.

21

    Am nächsten Tag kam Pete erst in der großen Pause in die Schule, und als er mit leuchtenden Augen erklärte, er habe »ihn«, wunderte sich Brad kein bisschen. Pete war der Typ, der alles, was angesagt war, immer gleich als Erster haben musste. Wenn ein neues Telefonmodell angekündigt wurde, stand Pete in der Nacht vor dem Erstverkaufstag in der Schlange. Er war auch der Erste gewesen, der sich einen 3-D-Fernseher angeschafft hatte. Er hatte sich sogar diese unsäglichen Laufschuhe zugelegt, deren Sohlen farbig leuchteten, wobei der Farbton die Geschwindigkeit anzeigte, mit der man lief. Was ihm natürlich bald peinlich gewesen war, ihn aber nicht dazu gebracht hatte, seine Kaufgewohnheiten mal zu überdenken.
    »War total easy«, raunte er verschwörerisch. »Du gehst auf deren Website und gibst deine Adresse ein. Dann zeigen sie dir die nächstgelegenen Lifehook-Center an, mit Öffnungszeiten und allem. Das Ding neben dem Telefonladen, mit den blauen und violetten Scheiben, das sie vorige Woche hektisch umgebaut haben, erinnerst du dich? Wir haben uns gefragt, was das werden soll.«
    Brad nickte. »Ja. Wo vorher der Teeladen drin war.«
    »Genau. Das ist jetzt das Lifehook-Center für Santa Cruz. Du kannst einen Termin ausmachen oder einfach hingehen, wie du willst. Ich bin natürlich einfach hin, gleich heute Morgen. War nicht viel Andrang; ich war fünf Minuten, ehe sie aufgemacht haben, da und bin als Dritter drangekommen. Geht ratzfatz und tut kein bisschen weh, ehrlich. Sich ein Ohrloch stechen lassen, ist hundertmal unangenehmer.«
    Brad musterte ihn skeptisch. »Ich weiß nicht... Wozu soll das gut sein?«
    »Wozu das gut sein soll?« Pete riss die Augen auf. »Sag mal, muss ich dir das im Ernst erklären? Nächste Woche sind Abschlussprüfungen. Also, ich weiß nicht, wie's dir geht, aber mir werden da ein paar Telefonjoker nicht schaden.«
    »Dann brauchst du aber jemanden, den du anrufen kannst.«
    »Hab ich.« Pete zog ein Buch aus seiner Tasche und reichte es Brad. »Da. Frag mich was daraus. Irgendwas.«
    Brad schlug das Buch auf. Es war ein Biologiebuch. An der Stelle, die er aufgeschlagen hatte, ging es um Ameisen. »Wie lautet der lateinische Name der Roten Waldameise?«
    »Moment«, sagte Pete und lauschte in sich hinein. Weiter geschah erst mal nichts.
    »Hmm«, meinte Brad. »Nicht sehr beeindruckend.«
    »Mach schon«, flüsterte Pete.
    In diesem Augenblick sah Brad, dass Jake, Petes zwei Jahre jüngerer Bruder, auf einer der Bänke neben dem Haupteingang saß und hektisch im selben Biologiebuch blätterte.
    »Formica rufa«, verkündete Pete triumphierend.
    »Du hast deinen Bruder mitgeschleift?«, fragte Brad entgeistert.
    Pete grinste. »Er hilft mir bei meiner Prüfung, dafür helfe ich ihm später mal bei seiner.«
    Wobei sehr die Frage war, ob das für Jake überhaupt eine Hilfe sein würde. Jake war ungefähr tausendmal besser in der Schule als Pete, aber er tat immer alles, was sein großer Bruder von ihm verlangte.
    »Das ist Betrug«, sagte Brad.
    Pete furchte die Stirn. »Du enttäuschst mich, Mann.«
    Brad presste die Lippen zusammen. Ja, es war tatsächlich besser, diesen Aspekt nicht weiter zu vertiefen. Nicht, wenn man in seinem Leben schon so viele Spickzettel verwendet hatte wie Brad Wheeler.
    »Meine Eltern würden das nie erlauben«, erklärte er stattdessen.
    Pete winkte ab. »Na und? Die im Lifehook-Center heften die Einverständniserklärungen bloß ab, die prüfen nichts nach. Das ist denen völlig egal, glaube ich ... Und neunzehn Dollar – ich meine, hey, was sind schon neunzehn Dollar für 'nen guten Abschluss?«
    Es klingelte zum Ende der Pause und zu Brads großer Erleichterung hieß das, dass sich ihre Wege trennten, weil sie unterschiedliche Kurse hatten, sodass sie ihr Gespräch nicht fortsetzen konnten.
    Denn Brad Wheeler würde nie im Leben den wahren Grund preisgeben, warum er sich keinen Lifehook besorgen würde, ganz egal, wie kritisch es um seine Noten stand.
    Was niemand ahnte, der Brad Wheeler kannte, war, dass er panische Angst vor medizinischen Eingriffen jeder Art hatte. Schon die Aussicht auf eine

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