Kohärenz 03 - Time*Out
und dachte nach.
»Man müsste natürlich wissen, wohin«, meinte er schließlich.
Christopher nickte und ließ seinen Arm aus dem geöffneten Wagenfenster baumeln. Unglaublich, wie heiß es war! Ihm lief schon der Schweiß, und es war erst ... wie viel Uhr? Kurz vor neun?
»Ja, klar. Aber angenommen, das gäbe es. Ein anderes Versteck. Bloß ziemlich weit entfernt. Sagen wir, dreitausend Kilometer.«
»Wie viel ist das in Meilen?«
»Etwa achtzehnhundert«, rechnete Christopher blitzschnell um. »Würdest du dir zutrauen, uns alle dorthin zu schaffen, ohne dass wir entdeckt werden?«
»Kein Problem«, sagte Dylan leichthin.
»Und wie würdest du das machen?«
Dylan überlegte eine Weile. »Sie würden nach unseren Autos suchen«, erklärte er schließlich. »Da haben sie ein paar Angaben, die zum Risiko werden könnten. Deswegen würde ich die als Erstes loswerden. Dann würde ich einen Reisebus für uns alle mieten, einen großen, dicken, möglichst auffälligen. Ich würde den ganzen Umzug als Studienreise tarnen. Mit so etwas würden zumindest die vom FBI nicht rechnen. Und das sind die Schlauen.«
Christopher drehte versuchsweise an den Knöpfen der Klimaanlage.
»Zwecklos«, meinte Dylan. »Die ist wirklich kaputt. Hab ich schon so gekauft.«
»Schade.« Christopher hatte das Gefühl, Sand auf den Zähnen zu haben. »Und wenn wir mit dem Bus in eine Straßensperre kämen?«
»Sie würden uns durchwinken, weil sie nicht nach einem Bus suchen.«
»Und wenn sie uns trotzdem kontrollieren? Zum Beispiel, weil ihnen langweilig ist?«
Dylan grinste. »Dann würden wir alle lauthals Gospels singen. Die Frauen kriegen Blümchenkleider, die Männer grausliche Polyesteranzüge ...«
»Das war eine ernst gemeinte Frage.«
»Klar. Und ich behaupte allen Ernstes, dass mir was einfallen würde. Mir ist auf dem Weg von Washington hierher ungefähr fünfhundert Mal was eingefallen.« Dylan warf ihm einen raschen Blick zu. »Weißt du, es geht darum, eine Geschichte auszustrahlen. Wenn dich jemand sieht, denkt er sich immer was dazu – was du für einer bist, woher du kommst, wohin du willst, was du dort vorhast. Der ganze Witz bei einer Flucht ist, dafür zu sorgen, dass deine Verfolger nicht denken, ›der ist es‹, wenn sie dich sehen.«
Christopher sah aus dem Fenster. Sie passierten eine Reihe knallgrüner Plastikkakteen, die für irgendetwas Werbung machen sollten, man kapierte nur nicht, wofür.
»Verstehe«, sagte er. Er hätte gerne gewusst, ob Dylan auf seiner Flucht nur Glück gehabt hatte oder ob er tatsächlich Talent für so etwas besaß. Vielleicht war es Letzteres. Hoffentlich.
Sie hielten an einem Schnellimbiss, der unscheinbar neben einem Möbelhaus stand und bemerkenswert wenig Kundschaft hatte. Aber zwischen den diversen Reklameschildern für die angebotenen Biersorten leuchtete ein grelles Schild mit der Aufschrift »WI-FI FREE« und darauf kam es an.
Sie holten sich jeder einen Burger, Pommes und Cola und suchten sich dann einen abgelegenen Tisch, an dem Christopher den Laptop aufklappen konnte.
Er hielt den Atem an, als er die Message an den PentaByte-Man abschickte. Würde es ein Hacker auf der Flucht schaffen, online zu sein? In Europa war es zwischen sechzehn und siebzehn Uhr; eine gute Zeit im Grunde ...
Er war online. Hab gerade ein gutes Versteck, stand da. Ich bleib ein paar Tage, dann zieh ich weiter.
Christopher fiel ein Stein vom Herzen. Ich hab Infos für dich, tippte er. Aber die muss ich dir verschlüsselt senden. Schick mir mal einen Public Key.
O. K.
Es dauerte. Daran merkte man, dass nicht alles war wie sonst. Normalerweise hatte der PentaByte-Man nämlich seine diversen Tools griffbereit. Nun schien er erst nach dem Programm suchen zu müssen, mit dem sich öffentliche Schlüssel – Public Keys – erstellen ließen.
Das Verfahren, dessen sie sich bedienen würden, war eine sogenannte asymmetrische Verschlüsselung: Dabei verschlüsselte man seine Nachricht mit einem Schlüsselwort, das ohne Weiteres allgemein bekannt werden durfte – daher der Name »öffentlicher Schlüssel« –, weil der Witz dabei war, dass es umgekehrt nicht funktionierte. Wenn man nur die verschlüsselte Nachricht hatte, brauchte man ein Gegenstück zu dem öffentlichen Schlüssel, um sie wieder zu dechiffrieren: Das war der private Schlüssel, den man natürlich geheim hielt.
»Ich hol mir noch was zu trinken«, sagte Dylan und stand auf.
»Okay«, meinte Christopher geistesabwesend,
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