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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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und wählte eine Sechs. Während sein Finger mit der mystischen Nummer beschäftigt war, flüsterte er leise vor sich hin wie jemand, der den Katechismus aufsagt: »Zwanzig Jahre bin ich schon in diesem Geschäft. Zwanzig lange Jahre voller Blumenschauen und Pfadfindertreffen, und jetzt, jetzt, jetzt …« Er hielt einen Augenblick inne, eine Hand über dem Mikrophon des Hörers, die Augen auf die unaussprechliche Decke gerichtet, hinter der in einiger Entfernung der allmächtige Eigentümer seines Blattes im Himmel saß. »Danke, Gott«, flüsterte er. »Amen.«
    »Amen«, echote Knüller Molloy und schob einen Spesenzettel über den Schreibtisch, der für sich genommen als Werk wenigstens ebenso großartig war wie alle Romane von Harrold Robbins zusammen. »Wenn Sie nur bitte hier unterschreiben würden, Sir?«
    Ohne die Abrechnung auch nur eines Blickes zu würdigen, unterschrieb der Herausgeber und gab damit einen beträchtlichen Teil der finanziellen Ressourcen seines Blattes aus der Hand. »All die Jahre«, sagte er immer wieder. »All die Jahre habe ich auf eine Gelegenheit gewartet, das zu tun, was jetzt kommt.«
    »Sir?«
    »Hören Sie einfach zu«, sagte der Herausgeber.
    »Hallo?« meldete sich am anderen Ende der Leitung eine verschlafene Stimme. »Druckerei hier, was gibt’s denn?«
    »Williams?« fragte der Herausgeber. »Williams, sind Sie das?«
    »Selbstverständlich bin ich das. Wer spricht?«
    »Williams!« Der Herausgeber nahm tief Luft und sagte dann: »Williams, halten Sie die Maschinen an. Neue Titelseite!«
    »Oh nein, nicht schon wieder!« sagte die Stimme. »Molloy, verpiß dich endlich, ja?« Ein Klicken, als der Hörer am anderen Ende auf die Gabel fiel, und dann nur noch der Summton der unterbrochenen Verbindung.

Kapitel 10
     
    Die Brüder Paul und Barry Geronimo saßen mit Handschellen aneinandergefesselt in Polizeigewahrsam. Ein untröstlicheres Paar Roter Männer als diese beiden war kaum vorstellbar. Mit der freien Hand betastete Paul die gewaltige Viktoriapflaume, die auf seiner linken Schläfe als Folge eines Schlagstockkontakts gereift war. Barry stöhnte jämmerlich, während er seine zahlreichen Blessuren nach möglichen Frakturen abtastete. Nach einer ganzen Weile war er es, der als erster das Wort ergriff. »Das wird Mutter bestimmt nicht gefallen«, sagte er.
    Paul machte Anstalten, die Stirn in Falten zu legen, ließ es aber dann wieder, weil Schmerzwellen ihr Veto einlegten. »Das bedeutet auf jeden Fall den Kriegspfad, soviel ist sicher«, murmelte er. »Viele Skalps werden die Loge verzieren, noch bevor die Zeit für den Fünf-Uhr-Tee gekommen ist.«
    Barry musterte seinen bandagierten Bruder mit einem Seitenblick. »Paul«, sagte er schließlich, »Paul, bist du eigentlich sicher, daß wir beide die duale Reinkarnation Geronimos sind? Ich meine, du hast dich nicht vielleicht geirrt oder so was? Versteh mich nicht falsch, aber wir stecken hier im Knast und haben eine Tracht Prügel empfangen wie nichts Gutes … ich meine … ich …« Für seine Unverblümtheit empfing er einen Schlag, wie ihn der längst verstorbene Billy Two Rivers gerne ausgeteilt hatte und der heutzutage unter dem Namen Tomahawk-Watsche bekannt ist. »Autsch! Du Drecksack, das sage ich Mama.«
    »Ruhe da drin!« ertönte von draußen die Stimme eines Konstablers. Das Guckloch in der Zellentür wurde geöffnet. »Auf die Beine, ihr beiden Möchtegern-Apatschen! Hier ist Besuch für euch!«
    Ein schwerer Schlüssel wurde im Schloß gedreht und erzeugte all jene Geräusche, die schwere Gefängnistürenschlüssel in Gefängnisspielfilmen so von sich geben. Die Tür schwang auf, und ein grinsender Konstabler Meek wurde sichtbar. Er trug ein Gefängnistablett aus Emailleblech und darauf drei dampfende Tassen Tee und ein wenig Gebäck. »Hier, Tonto!« grinste er. »Tut mir leid, aber das Feuerwasser ist gegenwärtig aus.«
    »Eine halbe Stunde in einem Rote-Ameisen-Nest mit einem Topf Honig auf dem Buckel wird das Grinsen aus dem Gesicht des Bleichgesichts vertreiben«, sagte Paul Geronimo und bedachte den Konstabler mit einer berühmten nordamerikanischen Geste (die inzwischen auch unter ihrem deutschen Namen ›Effenberg‹ bekannt ist).
    Barry rieb sich vorsichtig über die neue Blessur an der Stirn. Irgend etwas mußte tatsächlich dran sein an dieser Reinkarnationsgeschichte. Bauingenieure saugten sich Bemerkungen wie diese schließlich nicht aus den Fingern. »Zwei Stück Zucker bitte«, sagte

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