Kohl des Zorns
außen hin sieht es ganz nach Hexerei aus, genau wie ihr angenommen habt. Wer es wagt, die verbotenen Künste zu praktizieren, muß mit dem Risiko der Konsequenzen leben.«
»Aber ich dachte, es hätte sich um ›weiße‹ Hexerei gehandelt?«
»Die Trennlinie zwischen schwarzer und weißer Magie verläuft schwankend. Erinnert ihr euch vielleicht an die Worte, die sie gesungen haben?«
John kratzte sich den lockigen Kopf. »Adonai«, sagte er schließlich. »Und Tetra-irgendwas. Grammophon oder so, glaube ich.«
»Grammaton«, sagte der Professor. »Tetragrammaton. Die vier Silben, die den unaussprechlichen Namen des judäischen Gottes repräsentieren. Der machtvollste aller mächtigen Namen. Diese Kinder waren, wie du es genannt hast, in der Tat ›weiß‹.«
»Aber was hat sie angegriffen?« Omallys Stimme war fast unhörbar leise. »Und getötet?«
»Sie haben versucht, einen Kegel aus Macht zu errichten, aus Schutz, wenn ihr so wollt. Aber um das zu erreichen, muß man psychisch gut gewappnet und versiert sein in diesen Dingen. Das erfordert Jahre der Übung. Diese jungen Leute hatten nicht die Fähigkeiten, die dazu erforderlich sind. Der Mensch, der es wagt, die Toten zu belästigen, erwartet, die Wahrheit zu erfahren. Wer es wagt, die Götter anzurufen, ist noch tollkühner, und er benötigt einen mächtigen Schutz.«
»Wovor denn?«
»Naturgewalten. Elementen. Böses, das zwar heraufbeschworen, aber kaum unter Kontrolle gehalten werden kann. Das, was man sucht, ist aller Erfahrung nach nicht immer das, was man findet.«
»Es war der Griffin«, flüsterte Jim. »Sie haben den Brentforder Greif gefunden.«
»Um es kurz zu machen: Jawohl, das haben sie. Ob der Griffin ein Wesen aus Fleisch und Blut ist, mag dahingestellt sein, aber in okkulten Begriffen, in der Erinnerung der einfachen Menschen und im subjektiven, allgemeinen Bewußtsein, wo Imagination das Herz aller Magie bildet, dort existiert der Griffin. Und er wurde in die objektive Existenz beschworen. Er ist urtümlich und nicht kontrollierbar.« Plötzlich erhob sich der Professor zu seiner vollen Größe. »Und aller Wahrscheinlichkeit nach ist er noch immer irgendwo dort draußen!«
»Ach du meine Güte!« sagte Jim und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Wir müssen auf der Stelle zu der Insel!« sagte Professor Slocombe.
»Sprechen Sie bitte nur für sich alleine, Sir!« Pooley versuchte sich hinter seinem Whiskyglas unsichtbar zu machen.
Die gesamte Insel war in grelles Scheinwerferlicht getaucht. Mehrere Motorboote der Wasser- und Schiffahrtspolizei hatten an der Brentforder Seite Anker geworfen oder festgemacht, und überall blinkten Schwimmbojen. Gruppen von Konstablern und Beamten suchten mit Taschenlampen und Magnesiumfackeln das schmale Eiland ab.
Der Professor traf im professoralen Skiff ein, in seiner Begleitung zwei höchst mißbilligende Mißbilliger des gesamten Geschehens. Die drei wurden von Inspektor Hovis in Empfang genommen, der dem alten Gelehrten aus dem Ruderboot half und die Hand schüttelte.
»Professor«, sagte Hovis. »Ich habe sofort die Einsatzhundertschaft alarmiert. Ich fürchte, das wird eine böse Geschichte.«
Professor Slocombe begrüßte den Inspektor wie einen alten Freund, was Pooley und Omally nicht im geringsten überraschte. John sicherte das schlanke Skiff mit einer Leine an einem Ast. »Ich bin ein wenig eingeschnappt, weil Sie mich bei Ihrer Ankunft in Brentford nicht als erstes besucht haben, mein lieber Sherringford.«
Sherringford? dachte Pooley.
»Berufsstolz«, entschuldigte sich der berühmte Inspektor. »Selbstverständlich verspüre ich den dringenden Wunsch, unsere langjährige Bekanntschaft zu erneuern, allerdings unter glücklicheren Umständen als denen, in denen ich mich gegenwärtig befinde.«
»Also hat man Sie zur Lösung eines Falles nach Brentford geschickt?«
»Des wichtigsten meiner gesamten Karriere. Weshalb ich auch keinerlei Sehnsucht nach Ablenkungen wie diesen hier verspüre.«
»Und was haben Sie herausgefunden?« Professor Slocombe schlenderte Arm in Arm mit Inspektor Hovis vom Ufer weg, und Pooley und Omally konnten die Konversation der beiden nicht mehr länger belauschen.
»Ich bin der Meinung, Brentford war auch so sicher genug.« John klopfte seine Taschen auf der Suche nach Tabak ab. »Aber von einer derartigen Streitmacht der Englischen Garde umgeben zu sein … ich fühle mich, ehrlich gesagt, alles andere als sicher.«
Jim hatte wenigstens
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