Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
Vom Netzwerk:
Paare, die, bewaffnet mit Wellingtonstiefeln und einer Gezeitenkarte, ein Auge immer auf die steigende Flut in der Themse gerichtet, ihre eigenen tantrischen Rituale aufführten.
    An diesem besonderen Abend um halb zwölf schob sich ein winziges Fischerboot, konstruiert auf traditionelle Weise aus Weide und Fell und eines von mehreren, die Omally an gut versteckten Plätzen besaß, lautlos von einer verwahrlosten Anlegestelle in den nächtlichen Strom hinaus und trieb flußabwärts. Pooley steuerte das runde Fahrzeug mit dem einzigen Paddel, und Omally saß vorn und starrte in die Dunkelheit hinaus.
    Ein Stück voraus, im Fluß vor der Westspitze der Insel, erhob sich eine schlanke Säule aus Chrom und Glas in den Nachthimmel und verlor sich hoch oben in der Dunkelheit. Sterne blinkten und erloschen in unregelmäßigen Abständen, während große Zeppeline ihrem ungewöhnlichen Geschäft nachgingen und Bauteil um Bauteil anlieferten. Das dumpfe Summen der Maschinen besaß eine fast somnambule Qualität, und der leichte Dunst, der über dem Fluß schwebte, verlieh einer Landschaft wie aus einem Traum den letzten Schliff. Die Schönheit und Romantik dieser Szenerie blieben auch unseren beiden Flußfischern nicht verborgen.
    »Am nördlichen Ufer ist eine kleine Bucht«, flüsterte Omally. »Dort gehen wir an Land.«
    Pooley schwenkte das Paddel, und die Strömung trug das Fischerboot mühelos in die gewünschte Richtung.
    Bis jetzt hatten sie noch keinen endgültigen Schlachtplan zusammen. Sie waren lediglich übereingekommen, zu beobachten und zu lauschen und nur dann tatsächlich einzugreifen, wenn es aussah, als drohten die Dinge außer Kontrolle zu geraten. Wie ihr Eingreifen konkret aussehen würde oder wie ›außer Kontrolle geraten‹ definiert war, darüber hatten sie bisher nicht entschieden.
    Das kleine Boot landete geräuschlos, und Omally zog es bis zur Flutmarke am Ufer hinauf, wo er es umdrehte und mit einer Leine an einem Baum sicherte. Auf verstohlenen Füßen schlichen die beiden Kumpane durch das Unterholz in Richtung des kleinen Wäldchens. Falls ein Hexensabbat abgehalten werden würde, dann erschien ihnen das Wäldchen als der wahrscheinlichste Ort dafür.
    Ein Stück voraus erspähte Pooley durch die Dunkelheit den flackernden Schein eines Feuers. Er legte Omally die Hand auf den Arm und zeigte in die Richtung. Mit einer Ernsthaftigkeit, die den beiden vollkommen ungewohnt war, ließen sie sich auf alle viere nieder und krochen bis zu einer geeigneten Stelle, von wo aus sie das Geschehen überblicken konnten.
    Fünf Gestalten saßen in einem engen Kreis um ein Feuer aus Treibholz. Wegen der Dufflecoats war es nicht möglich, die Geschlechter der Sitzenden zu unterscheiden, doch es handelte sich ganz offensichtlich um die gleichen Verschwörer, die sie bereits im Fliegenden Schwan gesehen hatten: zwei junge Männer und drei Frauen, alle knapp unter oder über Zwanzig.
    Omally entkorkte seinen Flachmann und setzte ihn an die Lippen. Er nahm einen guten Schluck.
    »Bis jetzt sieht alles ganz harmlos aus«, flüsterte er.
    Jim nahm die gebotene Flasche entgegen und trank seinerseits. »Wenn sie anfangen, Würstchen zu grillen, schlage ich vor, wir gesellen uns zu ihnen.«
    In der Ferne kam die Uhr der Memorial-Bücherei ihrer Pflicht nach und schlug die mitternächtliche Stunde. Der letzte Schlag verhallte in der Stille, als die fünf Gestalten sich langsam erhoben und ihre Mäntel auszogen. Das beobachtende Duo starrte gebannt auf die Szenerie. Die Mäntel glitten zu Boden, und es wurde offensichtlich, daß keiner der fünf irgend etwas darunter an hatte. Sie waren splitterfasernackt.
    »Sieh dir das an!« entfuhr es Omally.
    »Schon dabei.«
    Die fünf zogen nun auch noch die Stiefel aus, faßten sich an den Händen und begannen in einer langsamen, kreisförmigen Prozession um das Feuer zu tanzen, wobei sie einen leisen Sprechgesang anstimmten.
    »Das also ist es, was Pfadfinder so reizvoll finden«, sagte Jim mit unterdrückter Stimme. »Ich hab’ mich immer gefragt, warum du bei ihnen warst.«
    Der Rhythmus des Tanzes wurde schneller, der Gesang lauter.
    Worte drangen bis zu den beiden Voyeuren, Worte, die keinen Sinn ergaben und die sie nicht verstanden: »SHADDAI EL CHAI ARARITA ADONAI TETRAGRAMMATON, SHADDAI EL CHAI ARARITA ADONAI TETRAGRAMMATON.«
    Es waren Worte von hypnotischer Kraft, und bald schon bemerkte Pooley, daß sein Kopf im Rhythmus der nackten Gestalten auf und ab tanzte, die im

Weitere Kostenlose Bücher