Kohl des Zorns
John jedoch die ganze Arbeit allein erledigen, und als sie am Griffin Park vorbeiradelten, schwitzte der Sohn Irlands bereits wie nichts Gutes.
Quer durch Brentford fuhr der kleine Konvoi, immer gefolgt von einem heftig strampelnden Omally. An der Verkehrsampel links, die Kew Road hinauf und in Richtung des Chiswicker Kreisels. Während John so vor sich hinstrampelte, nutzte der Gedanke, daß das Hauptquartier der Kaleton-Organisation durchaus im Londoner Osten liegen konnte, in Penge oder irgendeinem anderen weitläufigen Außenposten der Zivilisation, die Gelegenheit, durch den irischen Kopf zu gehen. Doch über derartige Unannehmlichkeiten wollte John lieber nicht nachdenken, und so strampelte er verbissen weiter.
Die schwarze Limousine bog ein weiteres Mal nach links ab und fuhr nun durch die Neubaugegend hinter dem antiken Gasometer. Omally radelte bis zur Kreuzung vor, dann machte er Halt und gönnte sich eine Zigarettenpause. Seines Wissens war die Straße eine Sackgasse. Wo wollte die schwarze Limousine hin? Noch eine Bombe abliefern?
In der Ferne schlug die Uhr der Memorial-Bücherei die halbe Stunde. Hoch oben am Himmel kündete Motorengebrumm vom Eintreffen weiterer Sektionen des nahezu vollendeten Sternstadions.
Omally nahm einen letzten Zug an seiner Zigarette und schnippte den Stummel weg. Er hatte zwei Möglichkeiten: Entweder er blieb, wo er war, oder er radelte hinterher und sah sich die Sache an. Er starrte auf Marchants Pedale; am anderen Ende der Geschehnisse herumzuhängen, war noch nie sein Ding gewesen. Also weiter.
John radelte in die Straße. Er wußte nicht viel über das Neubaugebiet, obwohl er als Junge hier zu Hause gewesen war. Die Viktorianischen Häuser, die früher hier gestanden hatten, waren den Weg alles Vergänglichen gegangen und unter den Bulldozern eingeebnet worden. An ihrer Stelle standen nun schmucklose Mietskasernen, errichtet von Leuten, denen Tradition nichts bedeutete, und bewohnt von Fremden, denen das alles noch gleichgültiger war. Die ganze Gegend war öde. Mietskasernen, häßlich, wenig durchdacht und mangelhaft ausgeführt. Einige der Gebäude fingen jetzt schon an, abzusacken und zu bröckeln. Die Gemeindeverwaltung befürchtete beinahe täglich ein Desaster von den Ausmaßen der babelschen Turmkatastrophe.
Omally strampelte sich ab und radelte in die Zone des Zwielichts. Die Gegend war zweifelhaft, stechmückenverseucht und trostlos. Jede Wand war bis zum Rand mit Graffiti aus nicht entzifferbaren Hieroglyphen vollgeschmiert, Autowracks standen aufgebockt und räderlos auf Ziegelsteinen, und im dämmrigen Schein der einzigen funktionierenden Straßenlaterne drängte sich eine Bande von Taugenichtsen in Post-Holocaust-Chic und beäugte Omally mit offensichtlicher Feindseligkeit. Der tapfere Sohn Irlands zog die Schultern ein, erschauerte kurz und radelte rasch weiter. Er war bedrückt und deprimiert. Das hier war nicht Brentford. Es war so anders, daß er genausogut auf dem Mond hätte sein können.
Johns Gedanken richteten sich nun einzig auf das Wohlergehen von Jennifer Naylor. Was war aus ihr geworden? Er radelte im Uhrzeigersinn um die Mietblocks, zwischen Wracks und Abfall hindurch, doch nirgendwo war ein Zeichen von Jennifers Porsche zu entdecken. Genausowenig wie von der langen schwarzen Limousine, die vor Jennifer in dieses Hinterland städtischen Elends eingebogen war.
John machte an dem hohen Maschendrahtzaun Halt, der das Gelände des Gasometers umgab. Als nächstes würde er die Tiefgaragen absuchen müssen, und der Gedanke gefiel ihm ganz und gar nicht. Selbst dem berühmten Mad Max höchstpersönlich wären hier am Ende der Welt Zweifel gekommen.
Unvermittelt drang ein Schrei an Johns Ohr. Ein Frauenschrei? Er stellte alarmiert die Lauscher hoch. Ein weiterer Schrei, und er kam eindeutig von hinter dem Zaun, irgendwo ganz in der Nähe des großen Gasometers. Omally sprang von seinem Fahrrad und lehnte es gegen den Maschendraht, in dem Gedanken, auf die Stange zu klettern und von dort über den Zaun.
Ein Knistern, begleitet von blauen Funken, und John fand sich am Boden und in sein Fahrrad verwickelt wieder. Er löste sich von Marchant und mühte sich auf die Beine, während er fluchte und spuckte und sich die verbrannten Fingerspitzen hielt. In seinen Ohren klingelte es, und in seinen Schläfen pochte laut das Blut. Im Mund breitete sich ein metallischer Geschmack aus. Der Zaun stand unter Strom.
John blies sich auf die Finger, stieg in
Weitere Kostenlose Bücher