Kohl des Zorns
»und sie sind hier in Brentford versteckt.«
Die niedergeschlagenen Bobbies richteten sich kerzengerade in ihren Sitzen auf. Ihre Erfahrungen mit Kriminalität erstreckten sich auf wenig mehr als das gelegentliche Zücken eines Schlagstocks und eine nette Keilerei. In den Reihen wurde Gemurmel laut.
»Einhundert Millionen«, wiederholte Hovis. »Genau hier, und ich will sie zurückhaben!« Er musterte das Meer von Gesichtern auf der Suche nach einem winzigen Eiland der Intelligenz. »Sie scheinen nicht begeistert, Gentlemen? Sie meinen, das wäre ein wenig zu hoch für Sie, nicht wahr?«
Konstabler Meek hob eine zittrige Hand. »Sir?«
»Meek?«
»Ist das vielleicht die Beute aus dem Heathrow-Raub, Sir?«
»Sehr gut beobachtet, Meek. Sie haben Aktenzeichen XY gesehen, was? Guter Junge.« Meek grinste dümmlich. »Selbstverständlich handelt es sich um die Beute aus der Heathrow-Geschichte!« brüllte Hovis. »Was meinen Sie denn, wie viele hundert Millionen Pfund in Goldbarren in England herumliegen?«
Meek öffnete den Mund zu einer Antwort.
»Die Frage war rhetorisch«, unterbrach ihn Hovis. »Falls Sie eine Antwort wissen, will ich sie jedenfalls nicht hören.«
»Aber, Sir … Das Gold ist wirklich hier in Brentford, Sir?«
»Genau hier.«
»Meine Güte, Sir!«
»Konstabler!« Inspektor Hovis gestikulierte in Richtung eines Beamten, der zu seiner Linken vor einer zugedeckten Tafel stand.
Der Konstabler zog schwungvoll die Decke weg, und ein Chor aus »Ohs!« und »Aaahs!« erfüllte den Besprechungsraum.
Vor den Augen der starrenden Massen war nichts Geringeres zu sehen als die gute alte TQ 17 NE, die topographische Karte der Gemarkung Brentford. Und genau wie auf der Karte des Professors waren die Grenzen des Brentforder Dreiecks in Blau eingezeichnet und das Sternstadion in Rot darüber. Im Gegensatz zur Karte des Professors jedoch gab es hier noch einen dicken schwarzen Ring im unteren rechten Teil. Einen Ring, der um die Stelle gezeichnet war, wo der Gasometer stand.
»Wer von Ihnen meint, das hier sei eine Geometriestunde, den muß ich leider enttäuschen«, sagte Hovis. »Hier geht es nicht um das Quadrat über der Hypotenuse oder irgendeinen anderen pythagoräischen Zungenbrecher. Hier …«, er tippte mit dem Stock auf die blaue Markierung, »… haben wir das Brentforder Dreieck. Dort …«, ein weiteres Tippen, »… das Sternstadion. Und dort …«, ein entschlossenes, heftiges Tippen auf den schwarzen Kreis und ein harter Blick in Richtung der versammelten Konstabler, »… den Brentforder Gasometer mitsamt den — es sei denn, ich bin vollkommen auf dem Holzweg — verschwundenen einhundert Millionen Pfund in Goldbarren.«
Ein Augenblick des Schweigens, in dem viele vielsagende Blicke ausgetauscht wurden.
»Im Gasometer, Sir?« Welche Nuancen von Sarkasmus Meeks Stimme auch beherrschen mochte, er verbarg sie mit meisterlichem Geschick.
»Das gerissenste Versteck, das mir während meiner Laufbahn untergekommen ist.«
»Und wer erwartet uns dort, Sir? Doktor No oder Goldfinger?«
»Wer hat das gesagt?« Schweigen war die Antwort.
Hovis musterte die Versammlung. »Es handelt sich um das Hauptquartier einer internationalen Verbrecherorganisation, und wir, Gentlemen, das heißt, jeder einzelne von uns ohne Ausnahme, werden die Burschen hochgehen lassen. Jeglicher Urlaub ist gestrichen, sämtliche anderen Ermittlungen ruhen. Ich werde Ihnen nun die Einzelheiten unseres Vorgehens erläutern, und bei Gott, diesmal wird niemand von Ihnen Mist bauen. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
Ein ganzer Raum voller heftig nickender Köpfe.
»Das, meine Herren, ist der Tag, auf den wir alle gewartet haben.«
»Ich werd’ verrückt«, sagte Konstabler Meek.
Gammon brachte dem Professor ein leichtes Frühstück, bestehend aus tropischen Früchten, ein paar Nüssen und Rosinen sowie einem Glas Wasser. »Wie Sie es gewünscht haben, Sir.«
Professor Slocombe lächelte seinem ältlichen Faktotum zu. »Danke sehr, Gammon. Stell es bitte dort auf den Tisch.«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Was macht Mister Pooley, Gammon?«
»Er erholt sich, Sir. Ich habe ihm eben neue Wärmflaschen gebracht.«
»Und Mister Omally?«
»Noch immer keine Nachricht, Sir. Ich bin den wenigen Spuren gefolgt, die wir haben, und ich fürchte, wir müssen uns auf das Schlimmste gefaßt machen, Sir.«
»Das fürchte ich auch, Gammon. Ich denke, wir können Mister Omally nicht mehr helfen.«
»Das ist
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