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Kohl, Walter

Kohl, Walter

Titel: Kohl, Walter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leben oder gelebt werden
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erinnern wie an nebensächliche
Einzelheiten, die eben nur einem Kind auffallen. Drei Männer erwarteten mich.
Sie stellten sich mir lediglich mit ihren Namen vor, nicht aber mit den
Funktionen, die sie bekleideten. Dennoch registrierte ich genügend äußere
Anzeichen, um zu begreifen, dass es sich um hochkarätige Besucher handelte.
Wäre meine Mutter nicht ebenfalls anwesend gewesen, so wäre ich vor Respekt
wohl am liebsten im Erdboden versunken. Sie setzte sich direkt neben mich, und
es gab mir ein relatives Gefühl von Sicherheit, dass wir beide damit unseren
Gästen, die auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatten, gleichsam
als Einheit gegenübertraten.
    Alle drei
Herren waren in Zivil, aber Mutter hatte mir vorher gesagt, dass es sich um
hohe Polizeiführer handelte. Wie immer agierte Mutter als perfekte Gastgeberin.
Sie reichte Kaffee und Kuchen und hielt souverän die lebhafte Plauderei in
Gang, welche am Anfang eines netten, aber doch irgendwie unverbindlichen
Besuchs unter Nachbarn zu stehen hat. Dabei war die Spannung fast mit Händen zu
greifen. So kam mir das alles doch etwas gekünstelt vor, ich wusste nicht so
recht, was jetzt geschehen würde. Ich wusste allerdings, dass ich nicht
weggehen durfte, da Mutter mich strikt ermahnt hatte, mit diesen Männern zu
sprechen.
    Nach einer
Weile entstand ein betreten-erwartungsvolles Schweigen. Ich fühlte mich
unauffällig, aber sehr aufmerksam gemustert. Einer der Männer eröffnete den
ernsten Teil des Gesprächs. In fast väterlichem Ton erklärte er mir, dass ich
nun schon erwachsen genug sei, damit man offen und ehrlich mit mir reden könne.
Ich hatte das Gefühl, er meinte es gut, aber irgendwie wirkte er doch etwas
hilflos. Schon während er mich offensichtlich zu beruhigen suchte, fühlte ich
jedoch bereits die forschenden, ja durchdringenden Blicke der beiden anderen
Männer auf mir ruhen. Sie schienen nur darauf zu warten, dass ihr Kollege eine
kleine Kunstpause einlegen würde, um selbst das Wort zu ergreifen. So kam es
denn auch. Einer von ihnen lenkte die Aufmerksamkeit auf sich, indem er sich
demonstrativ zurücklehnte, eine ausladende Armbewegung machte und einen fernen
Punkt im Raum zu fixieren schien. Schon setzte er zu einem schneidigen
Statement an. Unter dem Tisch ergriff Mutter meine schweißnasse Hand.
    Schon nach
wenigen Sätzen wurde mir klar, dass dieser Mann im Grunde nicht mit mir
sprechen, sondern mich belehren wollte. Ich wisse ja, dass die Terroristen
unseren Staat zerstören wollten, und sei alt genug, um zu verstehen, dass man
diesen Gewalttätern nicht nachgeben dürfe. Dass jedes Nachgeben nur zu weiteren
Gewalttaten führen würde. Und so weiter und so fort.
    Mutter
hatte sehr wohl bemerkt, dass ich bereits abgeschaltet hatte. Sie drückte
meine Hand noch einmal ganz fest - und ließ sie dann los, wie um mir
mitzuteilen, dass ich jetzt in irgendeiner Form »stehen« müsste.
    Doch was
soll ich tun? Muss ich etwas sagen, wenn dieser Mann fertig geredet hat?
    Irgendwann
war der Mann fertig. Er blickte mich an, als hätte er mich in diesem Moment
überhaupt erst bemerkt. Mir stockte der Atem, ich hatte einen Kloß im Hals.
Unmöglich, jetzt irgendetwas herauszubringen.
    »Walter,
Junge, du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind doch hier, um dir zu helfen.«
    Da war sie
wieder, die väterliche Stimme des Polizisten, der das Gespräch eröffnet hatte.
Er fuhr fort:
    »Ich habe
gesehen, ihr habt mit den Brettern einen feinen Turm gebaut, du und Peter.«
    Ich
musterte ihn verstohlen, was sollte das denn nun heißen? Er lächelte mich an.
Nun folgten ein paar Minuten Gespräch über unseren Turm. Ich taute ein
bisschen auf. Dann entstand erneut eine Pause. Bisher hatte der dritte Mann im grauen
Anzug noch gar nichts gesagt. Doch das sollte sich jetzt ändern. Mir wurde
klar, dass es seine Aufgabe war, mir jetzt jene Dinge zu erklären, um die es
hier an diesem Tisch eigentlich ging. Während die anderen, auch meine Mutter,
im Grunde nur herumdrucksten, sprach er in ruhigem und geschäftsmäßigem Ton zu
mir, nicht gütig, aber auch nicht streng. Das war genau die richtige Methode,
um mich in den Zustand höchster Aufmerksamkeit zu versetzen. Und um mir kühl
und sachlich ein paar Dinge beizubringen, die sich tief, sehr tief in meine
Gefühlswelt eingruben.
    Ich hatte
natürlich längst realisiert, dass ich als Sohn Helmut Kohls in Gefahr
schwebte. Ich hatte mir jedoch eigentlich nie Gedanken darüber gemacht, was
genau

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