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Kohl, Walter

Kohl, Walter

Titel: Kohl, Walter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leben oder gelebt werden
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vorfahren würde?
    Ich
beschloss diese Erwartungen zu enttäuschen und fuhr ganz normal mit dem
Regionalzug von Ludwigshafen nach Homburg, dem nächstgelegenen Bahnhof zur
Saar-Pfalz-Kaserne. Dort standen, wie ich wusste, Lkws der Bundeswehr bereit,
um die neuen Rekruten abzuholen. Kurz entschlossen sprang ich auf die Pritsche
des nächstbesten Lkw und setzte mich ganz nach vorn, in maximaler Entfernung
der Heckklappe. So erreichte ich mein Ziel, ohne dass die tatsächlich am
Kasernentor lauernden Fotografen mich zu Gesicht bekamen. Doch mein stilles
Frohlocken sollte nicht von Dauer sein. Die Presse genarrt zu haben, war nicht
mehr als ein mickriger Achtungserfolg. Meinem Bestreben, als ganz normaler
Rekrut durchzugehen, würde wenig Erfolg beschieden sein.
    Was nun
folgte, war für mich wie der Rückfall in eine schon fast überwunden geglaubte
Krankheit. Alles, was ich mir in meinem bisherigen Umfeld an persönlichem
Respekt und aufrichtiger Zuwendung mühsam erarbeitet hatte, blieb abrupt
hinter mir zurück. Denn natürlich hatte es sich wie ein Lauffeuer verbreitet,
dass der »Sohn vom Kohl« ausgerechnet in dieser Einheit dienen würde.
    Das
Militär als ein Hort klarer Ordnung und geregelter Zuständigkeiten: So hatte
ich es mir vorgestellt. Kaum aber war ich in diese Gemeinschaft eingetreten,
offenbarte sich mir ihre Anfälligkeit für die zersetzende Kraft von nur ein
ganz klein wenig Sand im Getriebe. Und das Körnchen, das Reibung erzeugte und
die ganze gut geölte Maschinerie mit ihren festen Abläufen aus dem Rhythmus
brachte, das war ich. Unerkannt war ich in die Kaserne hineingelangt, und
schon stand ich im Eingangsbereich meines zukünftigen Kompaniegebäudes in
einer der Warteschlangen, die sich vor diversen Schreibtischen bildeten. Hier
wurden die Personalien der Neuen aufgenommen. »Name?«
    Der Soldat
schaute nicht einmal von seinem Personalbogen auf, als er mich grußlos
ansprach. »Walter Kohl.«
    Er hatte
meinen Vornamen schon hingeschrieben, als er plötzlich stutzte und innehielt.
Langsam hob er den Kopf und schaute mich schräg von unten her an.
    »Wie ...«
    »Kohl,
Walter Kohl.«
    Ich
versuchte so entspannt dreinzuschauen, wie mir nur möglich war, obwohl ich sehr
deutlich spürte, dass die Blicke der Umstehenden mich bereits fixierten. Mein
Gegenüber vermied es, mir in die Augen zu sehen. Er sagte gar nichts mehr,
sondern stand einfach auf und ging schnellen Schrittes zu einem Unteroffizier,
der an einem anderen Schreibtisch saß. Er flüsterte dem Vorgesetzten etwas ins
Ohr, woraufhin dieser mich aus den Augenwinkeln sofort scharf musterte. Soldat
und Unteroffizier verließen gemeinsam den Saal. Verdutzt und etwas ratlos
blieb ich zurück, um Gelassenheit ringend, und konnte doch nicht verhindern,
dass altbekannte Gefühle von frustrierter Resignation, von Beklommenheit und
Peinlichkeit aufstiegen. So stand ich minutenlang da, gleichsam in einem
schwebenden Zustand gehalten, während um mich herum wuselige Aktivität
herrschte - außer bei den in der Schlange hinter mir wartenden Kameraden, die
bald Zeichen der Ungeduld und Unwilligkeit von sich gaben. Endlich kehrten
beide Männer zurück, zusammen mit einem höheren Offizier, meinem zukünftigen
Kompaniechef, wie sich herausstellte. Gerötete Gesichter, nervöse Blicke,
Getuschel.
    Nachdem
meine Personalien aufgenommen und mit den bereits vorliegenden Unterlagen
verglichen waren, wurde ich nicht etwa wie die anderen Rekruten auf die neue
Stube geschickt. Nein, ich wurde von einem Unteroffizier zum Bataillonskommandeur
persönlich geleitet.
    Mein
oberster Vorgesetzter wusste wohl nicht so recht, wie er mit diesem besonderen
Fall umgehen sollte, und schaltete vorsichtshalber schon einmal in die
schärfste Gangart. Ansatzlos fuhr er mich an wie einen dummen Schuljungen. Was
ich mir eigentlich denken würde. Ob ich mir überhaupt Gedanken machen würde
über mein Tun und Lassen. Dass es ja wohl ein starkes Stück von mir sei, wie
aus dem Nichts mitten in der Kaserne aufzutauchen. Es gelang mir, zumindest
äußerlich ruhig zu bleiben. Als er geendet hatte, erstattete ich Bericht, wie
ich es mir vorstellte, dass ein Soldat Bericht erstatten müsste, und
schilderte, wie ich hergekommen war. Wenn ich geglaubt hatte, damit sei die
Sache vernünftig erklärt, wurde ich jetzt eines Besseren belehrt. Er hatte mir
mit großen Augen zugehört, und in ihm kochte es, das spürte ich deutlich. Als
Nächstes bekam ich zu hören, dass die Torwache von

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