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Kohl, Walter

Kohl, Walter

Titel: Kohl, Walter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leben oder gelebt werden
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lange Zeit, und ich mochte sie sehr. Ich war gern mit
ihr zusammen, genoss ihre Freundschaft und fühlte mich in ihrer Nähe geborgen.
Uns verband echte Freundschaft, doch Liebe?
    Wie kann
sie das zu mir sagen? Liebe, daran glaube ich nicht mehr, was für ein Blödsinn.
    So schoss
es mir durch den Kopf. Es rumorte in mir. Mit aller Kraft begehrte ich gegen
drei Worte auf, die das Leben eines Menschen verändern können. Vor meinem
inneren Auge spulte sich in Sekundenschnelle ein Film ab, der meine Gefühle
gefangen setzte, der mein Leben bestimmte: meine tote Mutter, die Trennung von
meiner ersten Frau, das Dasein als Wochenendvater, meine triste
Arbeitssituation. Bitterkeit stieg in mir hoch.
    Wie kann
man einen Menschen wie mich lieben?
    »Ich
hoffe, du liebst nicht den Falschen«, hörte ich mich selbst sagen, trotzig und
unzugänglich, und es tat mir sogleich zutiefst leid. Doch es war gesagt, ein
Tropfen Gift verspritzt worden. Sie wich zurück, ihr Gesicht wurde blass.
»Es tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint.«
    Mein
Versuch der Wiedergutmachung fiel halbherzig aus. Und hatte ich nicht allen
Grund, so zu sein? Waren nicht die Liebe und die Familie die Quellen meines
Schmerzes? War die Liebe nicht mehr Schmerz als Freude in meinem bisherigen
Leben gewesen? War Liebe nicht eigentlich eine gefährliche Sache, eine
versteckte Form des Kampfes, des Unglücks, mehr Kriegsschauplatz als ein Anlass
für Glück und Fröhlichkeit?
    In mir
tobten widersprüchliche Gefühle. Doch sie ließ nicht locker, sie zwang mich
erneut dazu, sie anzusehen. Halb lachend, halb weinend gelang mir ein Satz,
der sie zumindest ein Stück weit in mein Inneres blicken ließ:
»Wie kannst du einen Menschen lieben, der sich selbst nicht
leiden kann?«
    Wir
schwiegen. Es war kein spannungsvolles, kein problematisches, sondern einfach
nur ein sehr trauriges Schweigen. Lange blickte ich in ihre Augen, lauschte
dieser traurigen, aber sanften Stille nach.
    Wir saßen
auf einer Parkbank in der Frankfurter Innenstadt, um uns herum brodelte das
Leben der Finanzmetropole zur Mittagszeit. Es war ein schöner, sonniger
Frühsommertag, die Menschen eilten die Straßen entlang, gingen ihren Geschäften
nach, verfolgten ihre Ziele. Überall pulsierendes Leben. Ich aber saß da wie
ein Trauerkloß und konnte die Liebe eines Menschen nicht annehmen, den ich selbst
liebte, ohne es mir eingestehen zu können.
    Wie auf
ein geheimes Zeichen hin lehnten wir uns beide gleichzeitig zurück, und ich
schloss sie in die Arme.
    Ich liebe
dich.
    Damals, im
Frühsommer des Jahres 2003, war das ein Satz, der mich völlig überforderte, ja,
mir bedrohlich erschien. Ich hatte mich ängstlich in mir selbst verkrochen,
denn ich war überzeugt davon, dass ich mit der Liebe nur Pech haben würde.
Meine Fähigkeit zu lieben schien erschöpft. Und warum sollte ich nochmals nach
etwas streben, das anscheinend die Quelle so vieler Schmerzen war? Wollte ich
nochmals in die gleiche Falle tappen? Hatte ich denn nichts aus meinen Erfahrungen
gelernt, musste ich alle Fehler wiederholen? Hatte ich nicht
verständlicherweise Angst, mich einer neuen Liebe zu öffnen?
    Kyung-Sook
lächelte mich scheu an. Ich hatte sie verletzt, das war offensichtlich, doch
sie machte gute Miene zum bösen Spiel, weil sie ahnte, dass es keine Bosheit,
sondern Überforderung war. Ihre Liebe für mich war echt und tief. Sie wollte
sie mit mir teilen, doch ich verweigerte mich. Noch.
    Still
saßen wir für eine Weile so da. Meine Mittagspause ging zu Ende. Ich ergriff
ihre Hand, und wir gingen zusammen die Straße entlang. Langsam näherten wir uns
dem Hochhaus, in dem ich arbeitete. Was würden die Kollegen sagen, wenn sie
uns so sähen? Schon wieder schossen mir die Bedenken durch den Kopf. Doch es
war bereits etwas anders geworden.
    Na und?
Sollen sie doch denken, was sie wollen!
    Ich nahm
Kyung-Sook nochmals in den Arm, drückte sie fest und gab ihr zum Abschied einen
Kuss. Noch konnte ich ihr nicht antworten, noch konnte ich nicht sagen:
»Auch ich liebe dich.«
    Doch
konnte ich spüren, dass sich eine Tür einen Spaltbreit aufgetan hatte, und
dahinter, auch das fühlte ich, lag ein Weg, der in ein neues Leben führen
könnte.
    Würde ich
den Mut haben, diesen Weg zu beschreiten, würde ich jemals wieder lieben
können?
    Nach
meinem Auszug aus dem ehelichen Zuhause wollte ich zurück ins Leben, war
endlich bereit, über meinen eigenen Schatten zu springen. Aber wie? Plötzlich
erhielt ich Hilfe von

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