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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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Abrupt verstummte die Musik.
    Ich
beglückwünschte Fräulein Kreuter zur Wiederkehr ihres Wiegenfestes und betrat
das Wohnzimmer. Stehlampen mit bedruckten Schirmen leuchteten in den Ecken des
Raums. Es war so schummerig, dass die abgetretenen Stellen auf dem Teppich und
die verblichenen Tapeten an den Wänden nicht weiter auffielen.
    Den Resopaltisch
zierten Pampelmusenhälften, die mit Käsewürfeln, Cocktailkirschen und
Weintrauben gespickt waren. Käseigel, der letzte Schrei. Diese hier wirkten
bereits ziemlich gerupft.
    Auf dem Sofa
erkannte ich Kaminski, ins Gespräch mit einer jungen Frau vertieft. Vis-à-vis
lümmelte ein junger Mann in einem Sessel, eine Zigarette in der Hand. Auf
seiner Armlehne balancierte ein Mädchen mit langen, glatten Haaren.
    Fräulein Kreuter
besann sich auf ihre Pflichten als Gastgeberin und stellte mir ihre brünette
Kollegin vor, eine Frau namens Inge, die neben ihrem Verlobten Horst auf einem
Zweiersofa saß. »Wohnen Sie auch in der Siedlung?«, wollte ich wissen. Inge
verneinte. Während ich noch nach einem weiteren Gesprächsthema suchte, setzte
die Langhaarige den Plattenspieler wieder in Gang. »Mit siebzehn, da hat man
noch Träume«, sang eine Frau mit amerikanischem Akzent. »Peggy March«, rief
Inge neben mir, dann wandte sie sich ihrem Verlobten zu.
    So saß ich am
Couchtisch und blickte an Kaminski vorbei auf die grüngelb tapezierte Wand
gegenüber. Die Gastgeberin befasste sich mittlerweile mit einem schlaksigen
jungen Mann, der dem Aussehen nach auf keinen Fall ihr spanischer Freund sein
konnte.
    Ich überlegte,
wann ich mich verabschieden konnte, ohne unhöflich zu wirken, als mich eine
wohlbekannte Stimme von der Seite ansprach.
    »Darf ich
bitten?«, fragte Kaminski.
    Die Käseigel waren
zwischenzeitlich verschwunden, und man hatte den Resopaltisch an die Seite
gerückt, um eine kleine Tanzfläche zu schaffen. Zwei Paare drehten sich im
Rhythmus der Musik.
    »Foxtrott«,
erklärte Kaminski. Ich erinnerte mich an meine Tanzstunden vor einigen Jahren
und hoffte, dem sympathischen Lehrer nicht auf die Füße zu treten. Doch er
führte gut, und so blieb es nicht bei dem einen Tanz. Wir waren beide ungefähr
gleich groß. Nun, da er seinen Hut nicht trug, fiel mir auf, dass er helle
dichte Haare hatte.
    Als er mich später
zur Couch geleitete, auf der jetzt die Langhaarige Platz genommen hatte,
bemerkte ich: »Eigentlich mag ich lieber klassische Musik.«
    Seine Augen
leuchteten auf. »Mozart!«, erwiderte er. »Es geht doch nichts über die kleine
Nachtmusik von Mozart!«
    »Von Mozart mag
ich am liebsten das Requiem«, sagte ich. Schlagartig war es mit meiner guten
Laune vorbei. Was war ein Requiem schließlich anderes als ein Totengesang?
Hatte ich wirklich für einen Moment vergessen, dass ich in zwei Tagen einen
Kollegen beerdigen musste? Und die Ansprache noch nicht geschrieben hatte?
Jetzt fiel es mir wieder ein und verdarb mir die Partystimmung.
    »Schade«, sagte
Kaminski. »Sie schauen schon wieder so ernst drein. Gerade waren Sie noch
fröhlich!«
    »Entschuldigung!«
    »Aber das macht
doch nichts. Fräulein Gerlach?«
    »Ja?«
    »Darf ich Sie
morgen Nachmittag abholen und auf eine Tasse Kaffee einladen?«
    Verblüfft sah ich
ihn an.
    »Es gibt einen
bestimmten Grund dafür«, sagte er verlegen. »Glauben Sie mir, ich kann das
erklären.«
    »Meinetwegen
gerne«, stimmte ich zu. Dann erhob ich mich und bahnte mir einen Weg durch den
Raum. Die Toilette musste ich nicht suchen, sie war an der gleichen Stelle wie
bei mir oben.
    Auf dem Rückweg
zum Wohnzimmer sah ich, dass die Küchentür offen stand. Frau Jankewicz stand an
der Spüle und wusch einen Teil des Partygeschirrs ab.
    »Darf ich
reinkommen?«
    »Bitte!« Sie
drehte sich nicht um.
    Ich nahm mir ohne
zu fragen ein Geschirrtuch. Eine Weile arbeiteten wir im selben Rhythmus: Sie
spülte Gläser und Teller, ich nahm sie vom Abtropfbrett und trocknete sie ab.
    »Ich habe Sie bei
der Party vermisst. Schließlich ist es die Geburtstagsfeier Ihrer Tochter«,
eröffnete ich schließlich das Gespräch.
    Sie wandte sich
mir zu. Das Veilchen am Auge war noch sichtbar, wenn auch verblasst. »Das ist
eine Feier für junge Leute. Da störe ich nur.«
    »Wie lange haben
Sie eigentlich bei Hanning geputzt?«
    Sie versuchte, mit
einer Bürste einen Weinrest aus einem Glas zu entfernen. »Ich habe nicht nur
geputzt. Ich habe auch seine Mutter versorgt und für beide gekocht.«
    »Dann ist es ja
umso bedauerlicher,

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