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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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dass Sie die Stelle jetzt nicht mehr haben.«
    Sie nickte.
    »Frau Jankewicz,
ich halte die Beerdigungsansprache für den Pastor. Wie Sie wissen, bin ich noch
nicht lange in der Gemeinde. Können Sie mir ein wenig mehr über ihn erzählen?
Das würde mir sehr helfen.«
    Sie zögerte.
Weitere Teller stapelten sich auf dem Abtropfbrett, bevor sie sich zu einer
Antwort durchrang.
    »Ich kann nur
Gutes über ihn erzählen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Er war sehr
verständnisvoll. Alle mochten ihn.«
    »Wie lange haben
Sie ihm den Haushalt geführt?«
    »Ungefähr ein Jahr
lang.«
    »Und davor?«
    »Davor hat sich
die Lena gekümmert.«
    »Die Rote!«,
entfuhr es mir. Die Tochter von Presbyter Rabenau, ein junges Mädchen mit
feuerroter Mähne. Rabenau hatte außerdem noch einen Sohn, Detlef, der in diesem
Jahr konfirmiert wurde.
    »Wie alt ist die
Lena jetzt?«, frage ich.
    »Etwas jünger als
meine Tochter. Anfang zwanzig vielleicht.«
    »Sie studiert«,
erinnerte ich mich.
    Frau Jankewicz
nickte. Wir arbeiteten schweigend weiter.
    »Können Sie mir
nicht noch mehr über Pastor Hanning erzählen?«
    »Sie glauben doch
nicht etwa, was die Leute so reden?« Frau Jankewicz’ Stimme war jetzt so leise,
dass ich sie kaum verstehen konnte.
    »Über Hanning und
die Frauen?«
    Sie schwieg.
    Ich ging in die
Offensive. »Über Hanning und Sie?«
    Bevor sie
antworten konnte, drehte sich ein Schlüssel in der Wohnungstür. Frau Jankewicz
zuckte zusammen, und das Besteck, das sie in der Hand hielt, fiel klirrend in
die Spüle.
    Kurz darauf stand
ihr Mann in der Tür, breit, massig und mit einer Alkoholfahne. »Sind die etwa
noch da?«, fragte er mürrisch. »Schmeiß sie raus. Ich will meine Ruhe haben.«
    Seine Frau zog den
Kopf zwischen die Schultern. »Sie brechen sofort auf«, versicherte sie. Manni
erschien im Flur, seinen Freund im Schlepptau.
    Kurz darauf
verabschiedeten sich die Gäste. Fräulein Kreuter geleitete sie zur Haustür. Als
sie zurückkam, wirkte sie entgegen ihrer sonstigen fröhlichen Art bedrückt.
Hinter ihr drein schlich der schwarze Kater, rieb sich an ihren nylonbestrumpften
Beinen, und sie streichelte ihn, als wäre er ihr einziger Trost.
    Jankewicz
herrschte seine Frau an: »Mach mir was zu essen!«
    »Sofort, Helmut …«
    Als ich an ihm
vorbeiging, blies er mir seinen Bieratem in das Gesicht. Nicht nur davon war
mir übel.
    Manni verschwand
an mir vorbei durch die Haustür in Richtung Westpark.
    Ich lief ihm nach.
    »Hallo, Manni«,
sagte ich, als ich ihn eingeholt hatte, und tippte ihm auf die Schulter. Er war
in letzter Zeit gewachsen und überragte mich bereits.
    Er schniefte. »Bin
erkältet«, murmelte er, doch ich sah, dass er geweint hatte. Ein scheuer Blick
streifte mich.
    Dann stieß er
verzweifelt hervor: »Ich will weg! Weit weg von hier. Ich hab mich erkundigt,
ich werde auf See anheuern. Dann sehen die mich hier so schnell nicht wieder.«
    »Aber du bist erst
fünfzehn, oder? Noch lange nicht volljährig.«
    »Noch sechs Jahre.
So lange muss ich’s hier noch aushalten. Jetzt soll ich beim Rabenau in die
Lehre. Als Dachdecker. So ein blöder Beruf!«
    Das klang so
kindlich, dass ich versucht war, ihm den Arm zu tätscheln.
    »Schlimm, wenn es
zu Hause auch nicht klappt, weil die Eltern sich nicht verstehen«, sagte ich
verständnisvoll.
    »Ach, wenn’s nur
das wäre …!«
    »Was denn noch? Er
schlägt sie, oder?«
    Manni antwortete
nicht.
    »Dich auch?«
    Wieder keine
Antwort.
    Manni lief weiter,
in den Park hinein.
    In meinem
Amtszimmer nahm ich wie jeden Samstagabend die Bibel zur Hand. Erst rezitierte
ich den Psalm vierundachtzig. »Wie lieblich sind deine Wohnungen …« Dann begann
ich zu blättern.
    Dabei fiel mir ein
anderer Psalm auf. »Errette mich, Herr, von den bösen Menschen; behüte mich vor
den Gewalttätigen, die Böses planen in ihrem Herzen …«
    Voller Inbrunst
sprach ich die Verse. »Er möge feurige Kohlen über sie schütten; er möge sie
stürzen in Gruben, dass sie nicht mehr aufstehen!«, rief ich in den nächtlichen
Park hinaus und stellte mir bildlich vor, wie Jankewicz im Schacht unter
Kohlenstücken begraben wurde. Es passierten so viele Unfälle unter Tage. Warum
sollte es nicht auch mal den Richtigen treffen? Bevor man seine Zeche schloss
und er den ganzen Tag über Zeit hatte, seine Familie zu schikanieren.
    »Allmächtiger,
steh ihnen bei«, betete ich.

ACHT
    »Rosi«, sagte ich
atemlos zu meiner Freundin am Telefon, »da lag ein Brief auf der

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