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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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auch bei Ihnen?«, insistierte ich.
    »Jankewicz?«
    »Der bei mir im
Pfarrhaus wohnt! Der Kräftige, Untersetzte.«
    »Ach, der. Jetzt,
wo Sie’s sagen: Der kam später. Hat sogar noch mit’m Pastor geredet.«
    »Mit Hanning?«
    »Mit dem, der
jetzt tot ist. Hab ich der Polizei aber alles schon erzählt.«
    Die Neugier trieb
mich zur nächsten Frage. Ich wollte wissen, was in der Siedlung vor sich ging
und ob ich mit einem Mörder unter einem Dach lebte. »Haben die beiden sich
gestritten?«
    Bevor Trudi
antworten konnte, betraten zwei Kinder die Bude und suchten sich umständlich
Lutscher und Lakritz für zwei Groschen aus. Endlich, nach vielleicht zehn
Minuten, zogen die beiden wieder ab.
    »Fräulein Pastor.«
Trudi schob den Deckel auf das Glas mit den Süßigkeiten. »Ich kann Ihnen nicht
weiterhelfen. Irgendwann waren die Männer halt weg. Mir ist das egal.«
    Ich ließ mich
nicht abwimmeln. »Was Sie über Hanning und die Frauen erzählt haben, sind das
nur Gerüchte?«
    »Je nun. Ein Pastor
ist auch nur ein Mensch, sag ich immer. Er hat halt abends öfter mal einen
gehoben. Und das kann mir auch keiner erzählen, dass er die Frauen nur
angeschaut hat.«
    »Das denken Sie.
Aber was wissen Sie tatsächlich?«
    »Also, als er mal
einen intus hatte, da meinte er zu einem Kumpel, da gäb’s eine, die würd er
glatt heiraten.«
    »Er würde heiraten? Was sprach dagegen? Hanning war ledig.«
    Trudi grinste.
»Ja, aber sie vielleicht nich – kommt ja in den besten Familien vor, so was …«

SIEBEN
    »Ich will ‘n
Cowboy als Mann!«, schallte es durch den Flur. Die Musik lenkte mich von meiner
Beerdigungsansprache ab.
    »Ein großer
Verlust«, schrieb ich. »Pastor Hanning war ein guter Seelsorger. Er hat
leidenschaftlich gerne gepredigt. Er hat die Frauenhilfe geleitet. Er war
beliebt in der Gemeinde …«
    … und bei den
Frauen, dachte ich. Das konnte ich wohl kaum schreiben. Seufzend schraubte ich
die Kappe auf meinen Füllfederhalter. Was sollte ich predigen bei Hannings
Beisetzung? Die Mutter, die mit ihm zusammengelebt hatte, war nicht
auskunftsfähig. Der Bruder konnte oder wollte nicht viel erzählen. Der
Stiefbruder war nicht aufgetaucht. Und dann schwebte noch über allem der Verdacht
auf einen Mord.
    Von allen
Verdächtigen schien mir Jankewicz der wahrscheinlichste. Hatte seine Frau
wirklich eine heimliche Affäre mit meinem Kollegen gehabt? Mein Untermieter
machte nicht den Eindruck, als würde er in solch einem Fall lange fackeln. Die
Gelegenheit zur Rache hätte er gehabt. Wenn Jankewicz in jener Nacht Hanning
von der Trinkhalle aus gefolgt war, hätte er in das Haus eindringen können.
Andererseits wäre es einfacher gewesen, gleich den Schlüssel seiner Frau zu
nehmen.
    Was war Jankewicz
für ein Mensch?
    Helmut hieß er, so
viel wusste ich. Ein Bergmann. Ich stellte mir kohlebestaubte Männer mit
Grubenlampen unter Tage vor, die sich gegenseitig »Glückauf« zuriefen und sich
blind aufeinander verließen. Eine Welt, in der Männer unter sich waren, in der
Maschinen lärmten, dass man sein eigenes Wort nicht verstand. Eine Welt der
knappen Gesten und der schlichten Worte.
    Verloren die
Bergmänner da unten in der Dunkelheit die Fähigkeit, Gedanken und Gefühle in
Sprache umzusetzen? Oder hatten sie diese nie besessen? Jedenfalls lebten sie
in der einen Welt und die Frauen in einer anderen – in der Küche, am Herd und
an der Spüle.
    War mein Kollege
Hanning einfach ein Mensch gewesen, der Frau Jankewicz zugehört hatte? Als
Seelsorger, als Freund? Folgten den Gesprächen Berührungen, bis irgendwann die
Grenze überschritten wurde? War Jankewicz überhaupt sensibel genug, um den
Seitensprung zu bemerken? Hätte es ihm etwas ausgemacht?
    Meine Gedanken
drehten sich im Kreis. Was ging mich das eigentlich alles an, ich sollte den
Mann doch nur würdevoll unter die Erde bringen. Und immer noch fehlte mir die
zündende Idee für die Predigt.
    »Ich will ‘n
Cowboy als Mann! Dabei kommt’s mir gar nicht auf das Schießen an …«, schallte
es in diesem Moment wieder von unten herauf.
    »Ruhe!«, brüllte
ich.
    Dann fiel es mir
wieder ein. Fräulein Kreuter feierte an diesem Abend Geburtstag, und ich war
eingeladen. Vielleicht würde ich auf der Party mehr über den Verstorbenen
herausfinden?
    Mit einer Packung
Schnapsbohnen machte ich mich auf den Weg.
    »Mach doch mal
leiser!«, rief eine Stimme im Inneren der Wohnung. Es ratschte, als die Nadel
über den Plattenspieler gezogen wurde.

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