Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
Vom Netzwerk:
Hanning?« Er
wirkte ehrlich erstaunt. »Wann soll das gewesen sein?«
    »Als Sie den toten
Pastor nachts die Treppe heraufgeschleift haben?«
    »Fräulein Gerlach!
Ich muss doch sehr bitten!«
    »Ich habe die Uhr
am Sonntag in Hannings Küche gesehen. Am Ostersonntag. An dem Tag, als
Schwester Käthe und ich die Leiche gefunden haben«, präzisierte ich.
    »Vielleicht ein ähnliches
Modell?«
    »Es war dieselbe.
Sehen Sie« – ich zeigte auf das Zifferblatt – »beim Minutenzeiger ist eine Ecke
angeknickt.«
    »Da haben Sie sich
die Uhr aber sehr genau angeschaut!« Rabenau versuchte, desinteressiert zu
wirken, doch seine Stimme zitterte.
    »Wir mussten eine
ganze Weile auf den Arzt warten. Ich habe mehrmals die Zeit abgelesen. Deshalb
erinnere ich mich so genau.«
    Der Geruch nach
Schweiß intensivierte sich.
    »Und wo ist die
Uhr wieder aufgetaucht?«
    »In Ihrer Küche.
In einer der Schubladen. Ihre Frau hat sie dort herausgezogen.«
    »Das kann ich mir
überhaupt nicht erklären.«
    »Können Sie
bezeugen, dass Sie mit der Angelegenheit nichts zu tun haben?«
    »Ja, natürlich«,
erwiderte Rabenau. Doch er hielt meinem Blick nicht stand.
    Ich erhob mich.
»Dann schlage ich vor, dass wir gemeinsam zu Kellmann gehen und dass Sie ihm
berichten, was es mit der Uhr auf sich hat!«
    In diesem Augenblick
schnappte Rabenau blitzschnell nach der Uhr in meiner Hand. Reflexartig schloss
ich die Finger darum. »Herr Rabenau! So geht das nicht!«
    »Geben Sie schon
her! Was geht Sie das alles an! Sie Schnüfflerin!«, rief er mit kaum
unterdrückter Wut in der Stimme. Er versuchte, mit Gewalt meine Faust
aufzubiegen.
    »Aua! Lassen Sie
das!«
    Schweißperlen
rollten ihm von der Stirn. »Das beweist gar nichts! Ich habe die Uhr vor ein
paar Tagen gefunden. Als wir nach Manni gesucht haben. Ich habe sie mit nach
Hause genommen. Keine Ahnung, wer sie in Hannings Haus geschleppt hat.«
    »Das können Sie
dem Kommissar doch alles erzählen! Wenn es so harmlos ist.«
    Rabenau packte
meine Oberarme und schüttelte mich. Seine Augen waren jetzt fast schwarz; sie
traten aus dunklen Höhlen hervor. Sein Atem ging stoßweise. Ich roch Spuren von
Zwiebeln und schalem Bier. »Loslassen!«
    Ich bekam es mit
der Angst zu tun. Befand ich mich mit einem Mörder in demselben Raum? Wenn er
mich nun auch umbrachte?
    »Hilfe!«, rief
ich. »Hilfe! Hilfe!«
    So schnell, wie er
mich gepackt hatte, ließ er wieder los. »Entschuldigung.« Er sackte in sich
zusammen. »Nichts für ungut, Fräulein Pastor.« Sein schwerer Atem kam zur Ruhe.
Er strich sich durch das schüttere Haar.
    Ich straffte
meinen Körper. »Schon vergessen. Gehen wir ins Gemeindehaus zum Kommissar.«
    Sägespäne blieben
unter meinen Schuhsohlen kleben, als wir den Hof überquerten.
    Rabenau im
Schlepptau, ging ich durch die mittlerweile recht belebten Straßen auf das
Gemeindehaus zu. Aus einem der Fenster scholl die Stimme eines Radiosprechers,
der zum wiederholten Mal das Fußballspiel am Nachmittag ankündigte.
    Meine Gedanken
rotierten. Wie weit war der Dachdecker in die unglückselige Geschichte
verwickelt? Er hatte ein Motiv, nämlich den Wunsch, seinen Vater zu schützen.
    Sonderlich viel
Werkzeug hatte es nicht gebraucht, um Hanning umzubringen. Ein Leck in die
Heizanlage zu schlagen erforderte wenig Aufwand, zumal für einen Handwerker,
der sich mit der Technik auskannte. Der Pastor mit seinem schwachen Herzen
hatte in dem Keller mit der defekten Anlage nur kurze Zeit überleben können.
Einmal feste von außen gegen die Tür gedrückt, während der Pastor Kohlen
nachschippte, und die Sache hatte sich schnell erledigt. Für einen kräftigen Kerl
wie Rabenau wäre es ein Leichtes gewesen, den schmächtigen Theologen die Treppe
in den ersten Stock hinaufzuschleifen.
    Doch nicht alles
ließ sich damit lückenlos erklären.
    »Herr Rabenau?«
Der Mann hinter mir grunzte unwillig. »Warum haben Sie Manni entführt? Und vor
allem, wohin?«
    Der Dachdecker
murmelte Unverständliches. Ich bohrte nicht weiter nach. Sollte der Kommissar
ihn verhören. Es war schließlich sein Beruf und nicht meiner.
    Trinkhallen-Trudi
war an diesem Vormittag in Hochform. Sie winkte uns schon von Weitem zu.
    »Ja, sinnze denn
getz alle verrückt geworden!«, rief sie begeistert. »Erst kommt der Pastor hier
längs, der Dicke, der, den’s nich erwischt hat …«
    »Kruse!«
    »Sach ich doch.
Kruse. Kommt hier vorbei, nimmt sich ‘n Bier, wat er sonst nie tut, nich mal
abends, und trinkt’s

Weitere Kostenlose Bücher