Kokoschanskys Freitag
irgendwann, irgendwo ein bisschen zu viel geplaudert hat?“
Angewidert stößt der Anführer dieser Männerrunde den Zurechtgewiesenen derart heftig von sich, dass er haltlos nach hinten zu Boden stürzt.
„Was glaubt ihr?“ Die Hände in die Hüften gestemmt blickt der Chef in die Runde, fixiert jeden Einzelnen mit seinem durchdringenden, kalten Blic k. „Wie lange wird es wohl dauern, bis wir die Bullen auf der Matte haben? Ich lasse mir meine Vision nicht von einem durchgeknallten Spieler zerstören. Und ihr dürft das auch nicht. Wir haben uns geschworen, dass wir diesen Weg gehen werden. Es gibt kein Zurück mehr. Und ich gehe kein Risiko mehr ein. Erdenberger war geschieden und er hatte eine Tochter. Also, gibt es seine Ex-Alte und das Kind. Vielleicht hat er seiner Alten etwa s über uns erzählt? Oder die Kleine hat etwas aufgeschnappt? Jetzt muss rasch gehandelt werden. Das heißt ...“, er geht um den Tisch zu dem noch immer am Boden kauernden Mann, „... du wirst handeln. Steh auf, du Versager!“
Langsam zieht sich der Angesprochene an der Tischkante hoch, setzt sich wieder wie ein geprügelter Hund auf seinen Stuhl.
„Du wirst deinen Schnitzer ausbügeln!“ Die Strafpredigt ist noch nicht zu Ende. „Du wirst mir die beiden bringen. Unauffällig und diskret. Wie du es anstellst ist deine Sache.“
„Entführen?“ Der Mann ist kreidebleich geworden und ringt nach Luft.
„Die Bezeichnung dafür überlasse ich dir. Du hast achtundvierzig Stunden Zeit. Dann sind sie hier!“
„Und was passiert dann mit ihnen?“ Erstmals schaltet sich ein jüngerer Mann aus der Runde ein. Das hätte er besser nicht tun sollen. Der Chef wendet sich sofort diesem neuen Opfer zu.
„Hat dich wer gefragt? Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß. Du hast deine Aufgaben und alles andere hat dich nicht zu interessieren.“ Dann richtet er wieder das Wort an alle. „Damit wir uns verstehen. Ich habe es zwar schon mehrmals wiederholt, doch heute zum letzten Mal: Ich bin der Führer. Wir kämpfen für eine gemeinsame Sache. Und wir befinden uns in einem Guerillakrieg. Für den glorreichen Sieg der deutschen Sache. Dafür ist mir jedes Mittel recht. Ach ja, sollte einer von euch auch nur auf die Idee kommen, in irgendeiner Form Kontakt zu den Bullen oder den Medien aufnehmen zu wollen, weil er plötzlich kalte Füße bekommt ... er soll es augenblicklich vergessen. Ich bin, wenn es darauf ankommt und unver meidlich ist, härter, skrupelloser, brutaler, grausamer und rücksichtsloser als ihr alle zusammen. Wir ziehen unsere gemeinsame Sache auch ge meins am durch. Wer sich uns in den Weg stellt, verliert auf der gesamten Linie. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Und vergesst nie, ich habe euch alle in der Hand.“
Plötzlich zieht er aus dem Hosenbund einen Revolver, öffnet die Trommel und lässt die Patronen aus den sechs Kammern auf die Tischplatte fallen.
„Ein kleines Spiel“, sagt er mit diabolischem Grinsen während er eine Patrone wieder zurück in eine Kammer steckt und die Trommel zurückklappt. Dann lässt er die Trommel rotieren. „Wie im Film Die durch die Hölle gehen . Der Scheiß-Vietcong malträtiert Robert de Niro mit russischem Roulette.“ Er schiebt die Waffe dem unbequemen Fragesteller zu. „Nimm sie, setz sie an und drück ab.“
Augenblicklich schwindet jegliche Farbe aus dem Gesicht des Aufgeforderten. Mit aufgerissenen Augen starrt er auf den Revolver, der vor ihm liegt. Sein Zögern bringt den Führer noch mehr in Rage. Die Folge ist eine gewaltige Ohrfeige, die den Mann beinahe von seinem Stuhl fegt, hätte er s ich nicht im letzten Moment an der Tischkante festgehalten.
„Los! Drück ab, du Memme!“, wird er angebrüllt.
Totenstille herrscht in dem rohen Ziegelgewölbe, dass nach der Bauweise mindestens aus dem neunzehnten Jahrhundert stammt. Vor Angst schlotternd greift der Gedemütigte nach der Waffe, setzt den Lauf an die Schläfe, schließt die Augen, presst die Lippen zusammen, die Mündung hinterlässt einen kreisrunden Abdruck auf der Haut.
„Du Arsch!“ Der Mann springt auf, legt beidhändig auf den selbster nannten Führer an. Seine Angst war offensichtlich nur gespielt. Doch zum Abdr ücken kommt er nicht mehr. Das Wurfmesser trifft ihn punktgenau mitten ins Herz. Kopfüber knallt er auf den schweren Eichentisch. Seelenruhig nimmt ihm der Führer den Revolver aus der Hand, überprüft die Trommel.
„Es wäre erst die dritte Kammer gewesen“,
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